1105 - Glendas Totenhemd
daß sie eine andere Macht besaß, denn auf die Kraft der früheren Schönheit konnte sie nicht mehr setzen. Wenn sie gut drauf war, schaute sie sich Fotos an, auf denen sie noch jünger gewesen war, aber das lag leider lange zurück.
Sie knetete ihre Wangen. Die Haut war weich, und manchmal ließ sie sich bewegen wie Pudding.
Isabella fühlte sich schlapp und ausgelaugt. Immer, wenn Kundinnen ihren Laden betraten, die besser aussahen und jünger waren, wurde ihr bewußt, wie viele Jahre sie schon auf dieser Erde lebte.
Aber sie wollte noch etwas erreichen. Unter allen Umständen niemals aufgeben, sondern den zweiten Weg auch weiterhin einschlagen. Nur das brachte ihr die Erfüllung und auch die Macht.
Isabella erinnerte sich wieder an die alte Sage über den Tod des Herkules. Er war sehr stark und hatte Unwahrscheinliches geleistet. Doch besiegt worden war er von seiner Frau. Sie hatte ihm ein vergiftetes Hemd übergestreift, und so war er verbrannt. Davor hatten ihn auch seine mächtigen Kräfte nicht schützen können. Die Raffinesse einer Frau hatte zu seinem Ende geführt, und wenn sie darüber nachdachte, dann schnellte ihre Laune wieder hoch.
Es war wunderbar, sich so zu fühlen wie die Gattin des Herkules und diese Macht in den Händen zu halten. Sie war plötzlich glücklich, öffnete den Mund und lachte ihr eigenes Spiegelbild an. Niemand wußte, was sie tatsächlich in ihrem Laden trieb, denn Spuren gab es nicht. Wer hätte sie schon verdächtigen können.
Sie trat vom Spiegel zurück, fuhr noch einmal durch ihr Haar und fing dann an, sich auszuziehen.
Zuerst den Pullover, dann fiel der Rock und zuletzt auch der enge schwarze Slip. Sie stand nackt vor dem Spiegel und betrachtete ihren Körper. Auch er hatte den Jahren Tribut zollen müssen. Zwar hatte sie kein Fett angesetzt, wie viele Frauen in ihrem Alter, aber mit der Figur war sie nicht zufrieden. Zu knochig, zu wenig Busen und auch keine so glatte Haut mehr, wie sie es sich gewünscht hätte. Auch daran waren die Strahlen der Sonnenbank nicht ganz unschuldig.
Es war nichts mehr zu ändern, nicht auf die normale Weise, aber dafür auf eine andere.
Auf dem Boden lag ein graugrüner Filz, so daß sie keine kalten Füße bekam, als sie sich dem Kleiderständer zudrehte und sofort das totenhemdähnliche Kleid fixierte. Es war beinahe im Original erhalten. Sie hatte es nur an der Rückseite verändert und einen Reißverschluß eingenäht, damit die bestimmten Kundinnen es besser schließen konnten.
Vor dem Kleid blieb sie abermals stehen. Wieder glitten ihre Hände über den ungewöhnlichen weichen und trotzdem sehr festen Stoff hinweg. Stoff oder Haut?
So genau wußte Isabella es auch nicht. Es war auch nicht wichtig für sie, denn es zählten einzig und allein das Kleid und dessen spätere Wirkung.
So behutsam wie einen wertvollen Gegenstand ließ sie es vom Bügel gleiten. Dabei huschte ein Lächeln über ihre Lippen, und in die Augen trat der Glanz der Vorfreude.
Sie legte das Kleid über ihre Arme. Dann ging sie einen Schritt vom Kleiderständer weg, um den nötigen Platz zu haben, denn sie wollte es unbedingt überstreifen.
Zuvor zog sie den Reißverschluß ganz nach unten, denn der Ausschnitt mußte groß genug sein. Sie bewegte sich profihaft, als sie in das Kleidungsstück hineinstieg.
Schon bei der ersten Berührung auf ihrer nackten Haut spürte sie das andere Gefühl. Das Kleid, schien ihr etwas auszusenden. Es sorgte für eine Botschaft, die sie erfaßte und das Innere allmählich in Wallung brachte.
Die Wärme hielt sich noch in Grenzen, aber das Kribbeln, das von diesem Material ausging, was sehr wohl zu merken und tat Isabella gut, nachdem es den gesamten Körper erfaßt hatte. Schon jetzt fühlte sie sich darin geborgen.
Noch hatte sie den Reißverschluß nicht hochgezogen. Das änderte sich in den nächsten Sekunden.
Sie mußte es geschlossen haben, um die volle Wirkung erleben zu können.
»Ja«, flüsterte sich Isabella selbst zu. »Ich bin wieder einmal reif für das Kleid…«
Zwischen Tür, Spiegel und Ständer blieb sie stehen, ohne sich zunächst zu bewegen. Das Kribbeln war geblieben. Die Botschaft hatte sich vom Kopf her bis zu ihren Füßen ausgebreitet, und sie merkte auch, daß die Wärme zunahm. So etwas zu erleben, tat ihr unwahrscheinlich gut. Sie wollte sich für den Tag belohnen.
Sehr langsam und auch gewissenhaft strich sie mit den Handflächen über die Vorderseite des Kleids hinweg. Es war ein
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