1106 - Zombie-Engel
verloren.
»Was willst du denn noch?« fuhr sie mich an.
»Es stehen noch viele Fragen offen.«
»Na und?«
»Sie sollten geklärt werden. Außerdem kann ich dich nicht hier liegenlassen. Es muß sich ein Arzt um dich kümmern. Die Kugel muß aus deinem Bein herausoperiert werden.«
»Nein!«
»Das hört sich stark an, Isabella, aber deine Wunde kann tödlich werden, wenn du dich sträubst. Da kann es zu Wundbrand und auch Wundfieber kommen. Sie kann verschmutzen, denn hier ist es nicht eben sauber. Das sollen jetzt keine Vorwürfe sein. Das ist eine Feststellung. Die Karten sind jetzt anders verteilt, und du weißt selbst, daß Glenda Perkins nicht verbrannt ist wie du es dir vorgestellt hast. Das Kleid hat sie angenommen wie auch dich. Du bist nicht einmalig, Isabella.«
»Das weiß ich.«
»Und auch nicht würdig!«
Da hatte ich einen wunden Punkt bei ihr getroffen. »Hör auf!« fuhr sie mich an. »Ich will nichts davon hören, verdammt noch mal! Was weißt du schon davon?«
»Richtig, Isabella, ich weiß einfach zu wenig darüber. Um das zu ändern, bin ich noch bei dir.«
»Ich soll dir helfen, wie?«
»Das habe ich mir gedacht.«
»Nein - niemals. Du hast mich außer Gefecht gesetzt. Du stehst nicht auf meiner Seite.« Sie erregte sich. Das Gesicht erhielt die Farbe wieder zurück und nahm einen rötlichen Ton an. »Du bist ein Feind.«
»Das stimmt. Den du sogar erschießen wolltest.«
Sie lachte laut. Es hörte sich wie ein scharfes Bellen an. Vor den Lippen sprühte der Speichel, den sie mit raschen Zungenschlägen wegleckte.
»Ich würde es auch immer wieder tun, damit mein Geheimnis nicht in fremde Hände gerät.«
»Pech gehabt, das ist es schon.«
»Aber du wirst nichts damit anfangen können. Das Kleid kannst du nicht zerstören.«
»Glaubst du denn, daß ich das will?«
Im ersten Moment war sie überfragt. Im Liegen schüttelte sie den Kopf.
»Das mußt du. Es ist nicht für dich bestimmt. Nur für mich. Mir hat die alte Frau es überlassen.«
»Wem gehörte es?«
»Das weißt du!«
»Nicht genau. Man hat von einem Engel gesprochen, aber dieser Begriff ist mir zu weitläufig. Ich weiß, daß auch Engel Persönlichkeiten sind und Namen haben.«
»Du kennst dich aus?«
»Einigermaßen«, sagte ich ohne zu übertreiben und holte zugleich mein Kreuz aus der Tasche, was Isabella nicht gefiel, denn sie verkrampfte sich und schaute dieses wunderbare Gebilde schon feindlich an. Beide Hände hielt sie zu Fäusten geballt, als wollte sie mich im nächsten Moment angreifen und zuschlagen.
Ich drehte das Kreuz so, daß sie die Vorderseite erkennen konnte. Noch immer lag eine leichte Wärme auf dem Metall. Ich schob es auf die Anwesenheit des Totenhemds.
Sie tat mir den Gefallen und ließ die Augen offen. Aus meiner linken Hand schaute das Kreuz hervor, und ich wies auf die verschiedenen Enden. Ganz oben fing ich an. »Das M steht für Michael.« Dann wies ich nach rechts. »Das R steht für Raphael.« Ich tippte das untere Ende an.
»Das U für Uriel.« Dann glitt mein Finger hoch zur linken Seite. »Das G für Gabriel.«
Isabella hatte zugehört, ohne mich zu unterbrechen. Jetzt schüttelte sie den Kopf. »Na und? Was bedeutet das schon?«
»Sie sind stark, und das weißt du, wenn du dich mit Engeln auskennst.«
Sie schob die Unterlippe vor, um ihrem Gesicht einen verächtlichen Ausdruck zu geben. »Was bedeutet das schon? Du kannst mir Hunderte von Namen aufzählen, ich lache darüber nur. Das ist nicht wahr für mich, denn ich kenne andere.«
»Wen denn?«
Auf einmal durchschoß ein Strom der Kraft ihren Körper. Beinahe hätte sie sich sogar in die Höhe gestemmt, doch der Schmerz in ihrem Bein war stärker und mußte dort ein Brennen hinterlassen. »Luzifer!« keuchte sie. »Du kannst mir so viele Namen sagen, wie du willst. Sie alle kommen nicht an Luzifer heran. Er ist der Allergrößte, und das müßtest du auch wissen.«
»Dann gehört ihm das Totenhemd?«
Als Antwort erhielt ich ein schrilles Lachen. Danach erst sprach sie mich an. »Das könnte dir so passen, nicht wahr. Aber es stimmt nicht. Luzifer ist nicht tot. Er lebt. Er braucht kein Totenhemd.«
»Er ist auch kein Sieger.« Ich wollte sie provozieren. »Er hat bereits den ersten großen Kampf zwischen Licht und Schatten verloren, und das hat er bis heute nicht vergessen.«
»Trotzdem ist er nicht tot!« flüsterte sie mir scharf zu. »Es gibt ihn auch weiterhin, und er hat Zeit genug gehabt, um sich zu
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