1107 - Die Mutation
grauer Schrank in einer Ecke.
Die Mutation tappte umher. Den häßlichen Schädel hatte sie gesenkt wie jemand, der etwas sucht.
Im Moment kümmerte er sich nicht um seine Schwester, die ihre Euphorie längst verloren hatte. Ihr waren in den letzten Minuten die Augen richtig geöffnet worden, was dazu führte, daß sie sich vornahm, sich gegen ihren Bruder zu stellen. Sie konnte nicht mit einem Monstrum zusammensein, das nur ihren Tod wollte. Zu oft hatte er schon zugeschlagen und die Wunden an ihrem Körper hinterlassen. Ihr Kleid war zerrissen. Die nackte Haut schimmerte an verschiedenen Stellen durch, aber auch die blutenden Wunden waren zu sehen, und der rote Lebenssaft hatte sich an einigen Stellen in den gelben Stoff eingesaugt.
Wie bei vielen Menschen, so war auch bei Jana Cusack der Wille zum Überleben erwacht. Noch beschäftigte sich James nicht mit ihr. Er suchte etwas, er war unruhig. Er tat, als wäre sie nicht mehr bei ihm. Er ging sogar an ihr vorbei und schaute den Weg zurück, den sie gekommen waren. Er war auf der Suche nach irgend etwas, das ihn beruhigte. Es machte ihm auch nichts aus, daß er Jana den Rücken zudrehte, und sie sah sofort ihre Chance.
Jana war bewußt, daß es ihre letzte war. Wenn sie jetzt nichts unternahm, konnte sie sich selbst begraben. Aber sie wußte auch, wie stark ihr Bruder war. Mit den bloßen Händen würde sie ihn nicht niederringen können.
Jana zog ihre Beine an. Mit den Armen drückte sie sich dabei in die Höhe. Ihr Blick war nach vorn gerichtet und tastete den Boden ab. Sie suchte nach einer Waffe, mit der sie den anderen überrumpeln, niederschlagen oder töten konnte.
Unter einem Schemel lag eine Gartenkralle. Sehr handlich. Mit gebogenen, spitzen Eisenstäben, die zu einer Kralle geformt waren. Dazu ein Griff aus Holz.
Es war leicht für sie, an das Gerät heranzukommen. Sie brauchte den Arm nicht einmal stark zu strecken. Als die Hand über das glatte Holz des Griffs strich, fühlte sie sich wohler. Am Ende klebte noch lehmige Erde, aber die Spitzen waren blank. Diese Kralle war ihre einzige Chance. Es würde ihr nichts ausmachen, sie in den Körper des Bruders zu schlagen, wobei sie nur hoffte, daß die Haut trotz ihrer Veränderung auch riß wie eine normale.
Jana bewegte sich so leise wie möglich. Im Sitzen hatte sie sich auf der Stelle gedreht. Ihr Blick traf den Rücken der Mutation. Die Augen waren starr geworden. Positive Gefühle spürte sie nicht mehr.
Jana kannte nur noch den Haß.
Sie wog die Waffe in der rechten Hand. Der Mund hatte sich zu einem Lächeln verzogen, das ihrem Gesicht einen sehr bösen Ausdruck verlieh. Unter dem Hals klebte das Blut, das aus der ersten Wunde geronnen war. An der Hüfte und direkt vor den Brüsten war das Kleid zerrissen. Die harten Krallenspitzen hatten ebenfalls blutende Verletzungen in der Haut hinterlassen.
Zuerst hatte sie unter den Schmerzen gelitten. Jetzt waren sie nicht mehr zu spüren. Der Wille, sich aus dieser lebensgefährlichen Lage mit der Waffe zu befreien, war stärker denn je.
Die Mutation starrte noch immer den Weg zurück. Etwas schien James zu beunruhigen. Es war gut für Jana, daß er sich nicht umdrehte, so hatte sie mehr Zeit.
Sie stand auf.
Vorsichtig und immer versuchend, jedes Geräusch zu vermeiden. Zwar war sie auf ihr Ziel konzentriert, zugleich aber dachte sie daran, wie dumm sie doch gewesen war, sich an ihren Bruder zu klammern und ihm so bedingungslos zu vertrauen.
Jetzt haßte sie ihn. Trotzdem würde es für sie nicht einfach werden, ihm die Gartenkralle in den Nacken zu schlagen. Es kostete sie Überwindung, denn im Gegensatz zu James war sie noch ein normaler Mensch.
Jana stand jetzt.
Sie mußte den Atem kontrollieren. James sollte nichts merken. Immer ruhig bleiben. Sich nicht hinreißen lassen. Es war schwer. Viel schwerer, als sie gedacht hatte.
Einen Schritt mußte sie noch vorgehen, um die ideale Position zu erreichen. Während dieser Bewegung hob sie den Arm an.
Ein tiefer Atemzug.
Sie schlug zu.
Genau in dieser Sekunde drehte sich die Mutation um!
***
Es war Jana nicht mehr möglich, den Schlag zu stoppen. Die Hand mit der Gartenkralle raste nach unten. Nur zielte sie jetzt nicht mehr auf den Nacken der Mutation, sondern auf deren Gesicht. Genau in das Dreieck zwischen Augen und Mund hämmerte die Eisenspitze hinein und hakte sich fest.
Wieder hörte Jana den schrecklichen Laut. Sie war von ihrem eigenen Tun so überrascht, daß sie einen Schritt
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