1113 - Die Fratzen der Fresser
zugeht«, sagte ich.
»Ein Spruch, Mister. Fragen Sie die Leute doch. Sie werden nur zufriedene Antworten erhalten. Sie können mir nichts anhängen.«
»Will ich das denn?«
»Sind Sie deshalb nicht hier?« fragte er.
Ich zuckte die Achseln. »Pardon, aber so genau habe ich Sie noch immer nicht begriffen.«
Er rückte jetzt nicht mit der Sprache heraus und fragte: »Wer hat Sie geschickt?«
»Niemand.«
»Lügen Sie nicht.«
»Es gibt keinen!« erklärte ich diesmal wesentlich schärfer. »Ich weiß nicht, was Sie sich alles zusammenreimen, aber so ist es tatsächlich.«
Lorenzo glaubte mir nicht. Er neigte sich noch etwas vor und kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. »So etwas Ähnliches höre ich nicht zum erstenmal. Aber ich weiß Bescheid. Ich kenne die verdammten Tricks. Schon einmal haben ein Anwalt und ein Privatdetektiv versucht, mir etwas ans Zeug zu flicken. Sie haben es nicht geschafft. Es ist alles völlig normal verlaufen, verstehen Sie?«
»Immer«, sagte ich. Und dann lächelte ich ebenso wie er vorhin. Lorenzo konnte sich seine eigenen Gedanken machen, und ich war schon etwas überrascht, daß er mich für einen Anwalt oder einen Detektiv hielt. Andererseits war es auch nicht so abwegig, denn diese Billigfahrten standen oft in der Kritik, weil man annahm, daß Menschen genötigt wurden, um etwas zu kaufen.
Lorenzo war noch nicht fertig. »Sie können gehen oder bleiben, das steht Ihnen frei. Aber ich sage Ihnen schon jetzt, daß Sie nichts finden werden, das gegen mich verwendet werden kann. Wer immer hinter Ihnen steht, er wird es nicht schaffen.«
»Ich dachte mir, daß Sie so reden würden, Mister.«
»Wie schön für Sie.«
»Wir bleiben übrigens«, erklärte Glenda. »Wir möchten unbedingt sehen, welchen Charme sie bei den älteren Menschen versprühen, um an deren Geld zu kommen.«
Lorenzo erbleichte nicht. Seine Gesichtszüge wurden nur noch etwas härter, so daß sie aussahen wie aus einem Brett hervorgeschnitten. »Hüten Sie sich vor unüberlegten Schritten!« flüsterte er über den Tisch hinweg. »Auch ich kann mich wehren. Das sollten Sie nicht vergessen. Man kann alles nur bis zu einer gewissen Grenze treiben. Ab dann wird es gefährlich und nicht mehr kontrollierbar.« Für ihn war das Gespräch beendet. Er stand abrupt auf und ging weg.
Wir schauten ihm nach. Er ging zur Theke und ließ sich von einer der beiden Kellnerinnen einen Brandy geben. Die Bedienung reagierte sofort. Sie goß ihm sogar einen Doppelten ein. Wir sahen, daß ihre Hände zitterten. Wahrscheinlich hatte sie vor Lorenzo einen Heidenrespekt.
»Er hat mit keinem Wort die Frau erwähnt«, flüsterte Glenda.
»Wen meinst du?«
»Die mit den lila Haaren.«
»Ach so. Ich dachte mehr an Britta.«
»Hm.« Sie runzelte die Stirn. »Wie kommst du denn auf die?«
»Ich sehe sie nicht mehr.«
Glenda gab mir keine Antwort. Statt dessen drehte sie sich auf dem Stuhl und schaute durch den Gasthof. Sie sah das gleiche wie ich. Menschen, die sich ihr Essen schmecken ließen und sich ansonsten für nichts anderes interessierten. Auch die Frau mit den gefärbten und auffälligen Haaren aß. Sie bewegte sich jedoch langsamer als die übrigen Gäste. Ihre Bewegungen sahen so aus, als müßte sie erst überlegen, ob sie etwas Bestimmtes tat oder nicht.
Langsam hob sie mal das Messer an, dann wieder die Gabel, die sie in Richtung Mund führte.
Auch Glenda hatte sie beobachtet. »Was stimmt mit der Frau nicht?« flüsterte sie.
»Einiges.«
»Toll gesagt, was willst du tun?«
»Noch nichts.«
»Aber das ist nicht normal, John.«
»Stimmt.«
»Ich kann mir vorstellen, daß gleich etwas passiert.«
Die Befürchtung quälte mich auch. Ihren Nachbarn war das Verhalten der Frau nicht aufgefallen.
Sie waren zu sehr mit ihrem eigenen Essen beschäftigt. Auch Lorenzo kümmerte sich nicht um sie.
Er wußte, was er seinem Image schuldig war. Er stand an der Theke und schäkerte mit den beiden Kellnerinnen, die verhalten lachten, wenn er wieder mal etwas Lustiges gesagt hatte.
»Mir gefällt das nicht, John. Ich denke mal, daß wir etwas unternehmen müssen.«
»Soll ich sie noch einmal mit dem Kreuz berühren?«
»Das wäre vielleicht nicht verkehrt. Das andere sitzt noch in ihr. Es breitet sich aus. Ich habe zwar keinen Beweis, aber ich verlasse mich auf mein Gefühl. Wenn wir zu lange warten, kann es sehr schnell zu spät sein. Du verstehst, worauf ich hinauswill.«
»Alles klar.«
Glenda hatte recht.
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