1113 - Die Fratzen der Fresser
ist er wieder. Unser Lorenzo!«
Keiner hatte gesehen, wie Lorenzo die Gaststube betreten hatte. Aber er stand plötzlich vor der Tür.
Dort hatte er noch einige Sekunden abgewartet. Nach Brittas Ankündigung ging er mit flotten und federnden Schritten auf das Pult zu. Sein Gesicht zeigte ein strahlendes Lächeln.
Er trug eine schwarze Jacke, schwarze Hose, dunkle Schuhe, aber ein weißes Hemd ohne Krawatte.
Er war der Typ des redegewandten und aalglatten Verkäufers, der es sogar schaffte, jemandem einen Elektro-Staubsauger anzudrehen, der keinen elektrischen Strom im Haus hatte.
Natürlich war sein Gesicht sonnenbraun. Natürlich war er schlank und geschmeidig, und natürlich präsentierte er sich mit einem strahlenden Lächeln und hochgereckten Armen, als er das Podium betrat und ins Mikrofon sprach.
»Hier bin ich wieder, meine Freunde!«
Ich hätte nie gedacht, daß auch alte Menschen so jubeln und trampeln konnten. Das hatten sie wohl von ihren Kindern oder Enkeln übernommen. Jedenfalls war der smarte Lorenzo für sie ein Typ, den sie mochten.
Ich konzentrierte mich auf sein Gesicht. Das Lächeln war geblieben, aber es war eine Maske. Da gab es nichts echtes. So künstlich strahlend, was ich überhaupt nicht leiden konnte. Typen wie dieser Lorenzo stießen einem anderen lächelnd das Messer in den Rücken, aber das wußten die Gäste bestimmt nicht. Über ein derartiges Thema verschwendeten sie keinen Gedanken.
Lorenzos Körper bewegte sich nicht. Das überließ er seinen Augen. Sie befanden sich in ständiger Bewegung. Sie schauten überall hin. Sie wollten sich jedes einzelne Gesicht einprägen. Es blieb mir auch nicht verborgen, daß Glenda und ich von ihm begutachtet wurden. Eine Reaktion erlebten wir bei ihm nicht.
Als das Trampeln und der Beifall abebbten, ließ der Mann am Pult seine Arme sinken. Er stand jetzt da wie eine Statue. Die Nasenlöcher weiteten sich, als er hörbar Luft holte. Seine Lippen wirkten schmal wie Messerrücken. Die Wangen waren etwas eingefallen. Das Kinn sprang trotzig hervor, und über der hohen Stirn hatte er seine Haare erst hoch und dann nach hinten gekämmt. Irgendein Gel oder Öl hielt sie in Form, denn sie wirkten sehr steif.
»Wie ich von Harry hörte, hat alles gut mit der Fahrt geklappt, und das freut mich natürlich auch. Viele Gesichter kommen mir bekannt vor. Es ist immer etwas Besonderes, wenn ich alte Freunde entdecke, und wie ihr wißt, gibt es auch Treuepunkte. Ich denke, daß ich heute wieder einige verteilen kann. Nach dem Essen werden wir unsere kleine Veranstaltung beginnen, und ich bin sicher, daß Sie viele nützliche Dinge für sich finden werden. Was- es sein wird, sage ich noch nicht. Ich möchte die Überraschung noch ein wenig herauszögern, aber ich kann euch, liebe Freunde, das Beste sehr preiswert versprechen. Und nun lassen Sie es sich gut gehen.«
Seine Rede war beendet, und Lorenzo nahm den Beifall entgegen, bevor er von seinem Platz zurücktrat und sich an Britta wandte. Er mußte nur einen Schritt gehen, um an ihrer Seite zu sein.
Britta zog ihn noch näher zu sich heran, damit niemand ein Wort von dem hörte, was da geflüstert wurde.
Ein perfekter Schauspieler war dieser Lorenzo auch nicht. Er tat es nicht auffällig, doch für uns war sichtbar, daß er hin und wieder in unsere Richtung blickte. Wahrscheinlich hatte ihm Britta von uns und von dem Vorfall im Bus berichtet.
Glenda nippte zum zweitenmal an ihrem Kaffee. »Spülwasser«, bemerkte sie.
»Willst du ihn neu kochen?«
»Haha, darüber kann ich nicht mal lachen.«
Außer Glenda beschwerte sich niemand laut über den Kaffee. Die Gäste waren zufrieden, sie gaben sich auch locker. Bis auf die Frau mit den lila gefärbten Haaren. Sie saß starr zwischen den anderen und betrachtete hin und wieder ihre Handfläche.
Mit einem leichten Klaps gegen die Wange ließ Lorenzo seine Assistentin stehen. Er steuerte den großen Tresen an, ging aber nicht bis zu ihm hin, sondern drehte kurz davor ab und gönnte auch den dort wartenden Kellnerinnen keinen Blick.
Sein Ziel war der Tisch, an dem wir saßen.
»Ho, jetzt wird es spannend!« flüsterte Glenda.
»Das meine ich auch.«
Lorenzo kam zu uns. Er lächelte wieder, schob einen Stuhl zurecht und fragte: »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
»Bitte«, sagte ich.
Und Glenda wollte wissen, ob es dafür einen besonderen Grund gab.
»Ja, Sie sind neu hier, Sie beide.« Aus dunklen Augen schaute er uns an. »Ich möchte einfach
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