1113 - Die Fratzen der Fresser
schaute in die Lichter der ihr entgegenkommenden Fahrzeuge. Sie waren wie kleine Sonnen, die durch das All trieben und auf sie zukamen, um dann an ihr vorbeizuhuschen. Der Betrieb machte sie nervös. Zudem wurde sie von einem Schwindelgefühl gepackt. Sie war froh, sich an der Rückenlehne eines Stuhls festhalten zu können.
Sie wußte nicht, was mit ihr war. Überhaupt nichts mehr. Sie kam sich gefangen vor. Der Schweiß war ihr aus den Poren gedrungen. Er klebte auf Körper und Gesicht. Wenn sie einatmete, hatte sie Mühe, und auch die Luft kam ihr nicht mehr so normal vor wie sonst. Die Straße mit all den Lichtern und fahrenden Autos verwandelte sich in einen Kometenschwarm, der in Augenhöhe an ihr vorbeizog, um in der Dunkelheit des Alls zu verschwinden.
Danach, war alles wieder okay.
Sie konnte normal sehen. Kein Schwindel mehr. Keine Lichter, die sich auflösten.
Dafür spürte sie wieder den Schmerz an ihrer rechten Schulter. Er war zu einem regelrechten Brennen geworden, das die gesamte Seite erfaßt hielt. Sie tastete noch einmal hin - und hielt den Atem an, weil der Schock sie so wuchtig traf.
An der Schulter hatte sich ein Pickel gebildet. Nein, dieser Vergleich traf nicht genau zu. Nach Kates Ansicht war es schon ein kleiner Höcker, ungefähr fingernagelhoch und für sie auf keinen Fall erklärbar. Er konnte nicht von einem Mückenstich stammen, denn so groß wurde das Erbe nicht.
Ein anderes Insekt mußte sie erwischt haben. Allerdings hatte sie keines gesehen und auch nichts gehört. Kate konnte sich nicht vorstellen, wie es zu diesem Stich gekommen war, und das machte ihr angst.
Sie atmete tief ein, ohne daß es ihr danach besser ging, denn der Druck an der rechten Schulter war geblieben. Mehr noch. Um die Beule herum schien die Haut zu brennen.
Für sie war es jetzt noch wichtiger, so rasch wie möglich nach Hause zu kommen. Sie würde ins Bad gehen, sich vor den Spiegel stellen und die Stelle an ihrer Schulter genau untersuchen.
Kate hatte in den letzten Sekunden immer wieder gewinkt. Sie wollte, daß ein Wagen stoppte. Daß er sie mitnahm und sie endlich nach Hause kam.
Diesmal hatte sie Glück. Das Taxi hielt tatsächlich. Wenn sie nicht alles täuschte, waren in der Zwischenzeit schon zwei oder drei Wagen vorbei gefahren.
Rasch ging sie auf den Wagen zu. So gleitend, ohne das Gefühl zu haben, über den Boden zu laufen.
Der Fahrer war ein junger Farbiger, der sie mit seinem weißen Gebiß anlächelte. »Wo soll es denn hingehen, Madam?«
Sie nannte ihre Adresse. »Okay, danke.«
Kate lehnte sich in den Sitz zurück. Im Wagen roch es nach einem süßlichen Parfüm. Sie mochte den Geruch nicht, der beinahe für Übelkeit bei ihr sorgte. Die Augen hielt sie geschlossen und wollte sich auf das konzentrieren, was mit ihrer Schulter passiert war. Der Buckel war vorhanden. Sie fühlte ihn, als sie kurz über die Stelle hinwegstrich und dabei erschauerte. Wie schnell das verdammte Ding gewachsen war! Innerlich zitterte sie, und der Schweiß war von ihren Handflächen auch nicht verschwunden. Ihr Kopf steckte voller Gedanken. Sie drehten sich, sie glitten ab, und sie war einfach nicht in der Lage, sich auf ein Geschehen zu konzentrieren. Immer war etwas anderes da, das sich in ihre Gedanken hineinschob.
Bilder huschten an ihr vorbei. Es waren Fragmente der Erinnerung über die Zeit, die erst seit einigen Stunden hinter ihr lag. Nicht alles bekam sie auf die Reihe. Es fehlten ihr einige Passagen. Löcher in der Erinnerung.
Sie hörte wieder das schreckliche Lachen. Diesmal so laut, als säße der Lacher neben ihr.
»He, Madam…«
Der Fahrer mußte sie zweimal ansprechen, um Kate aus der Lethargie zu reißen.
»Bitte?«
»Wir sind da.«
»Oh, sorry. Ich denke… ich meine… ich glaube, daß ich etwas geträumt habe.«
»Ist Ihr gutes Recht, Madam. Wichtig ist nur, daß ich am Steuer nicht träume.«
»Das stimmt, Mister. Wieviel bekommen Sie?«
Er nannte den Preis. Kate Cameron schaute nicht erst auf die Uhr, sie gab noch ein kräftiges Trinkgeld, weil sie froh war, endlich zu Hause zu sein. Etwas schwankend ging sie wenig später auf die Haustür zu und ruhte sich in der Nische erst noch für einen Moment aus. Der Wagen war inzwischen verschwunden, und Kate merkte, daß die bestimmte Stelle auf ihrer Schulter regelrecht brannte. Bestimmt war sie und deren nähere Umgebung rot angelaufen.
Den Schlüssel fand sie in der Handtasche. Kate war froh, Parterre zu wohnen und nicht erst
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