1114 - Der Pestmönch
Sie sind die barmherzige Samariterin. Nur paßte Ihre Handlung nicht zu dem, was Sie vorhatten. Es kommt mir schon ein wenig ungewöhnlich vor, daß Sie mich erschießen wollten, wo Sie doch nur die alten Menschen so selbstlos betreuen. Können Sie mir da die Zusammenhänge erklären?«
Bisher hatte Britta stets schnell geantwortet. Diesmal nicht. Da schickte sie erst ein Lachen voraus und versuchte es dann mit einer Ausrede, über die Suko nur den Kopf schütteln konnte.
»Es war alles nicht so gemeint, verstehen Sie? Ich war eben sauer darüber, daß Sie einfach hier eingedrungen sind. Sie haben als Fremder hier nichts zu suchen, Suko. Es ist unsere Welt. Wir besetzen sie. Warum wollen Sie das nicht begreifen?«
Suko runzelte die Stirn. »Gehört der Tunneleingang hinter Ihnen auch zu dieser Welt?«
»Kann sein. Ich bin wenig informiert.«
»Vor einigen Minuten sprachen Sie noch von einer Hölle. Irgend etwas stimmt da nicht.«
»Nur eine Ausrede, um Ihnen Angst einzujagen. Noch mal. Lassen Sie uns nach oben gehen. Wir werden mit den Leuten reden, und Sie werden auch Ihre Antworten erhalten. Das verspreche ich Ihnen. Sie können Gift darauf nehmen.«
»Lieber nicht.«
»War nur ein Scherz…«
Suko schaute in das Gesicht der Scherzenden. Britta hatte viel von ihrer glatten Fassade verloren.
Wahrscheinlich alles. Sie konnte nicht mehr als tough und selbstsicher angesehen werden. Sie war nur mehr eine Person, für die eine Welt zusammengebrochen war. Und aus dieser Klemme kam sie nicht ohne fremde Hilfe heraus. Sie hatte alles versucht, die Worte einfach verdreht und mußte doch sehen, daß Suko sie kalt hatte abfahren lassen.
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe schon bessere Ausreden gehört. Aber ich gebe zu, daß Sie nicht diejenige sind, die hier das große Sagen hat. Gibt es noch jemand?«
»Nein, ich…«
Suko wurde konkreter. »Führen Sie auch die Verkaufsveranstaltungen durch, Britta?«
»Damit habe ich nichts zu tun.«
»Sehr schön. Wer dann?«
»Da erscheint jemand von einer anderen Firma und…«
»Ein gewisser Lorenzo - oder?«
Diesmal zuckte sie unter Sukos Griff zusammen, und der Inspektor wußte, daß er ins Schwarze getroffen hatte. Er selbst hatte den Mann nie zu Gesicht bekommen, doch Kate Cameron, die Frau, die ihren Arm verloren hatte, war noch in der Lage gewesen, ihm und John Sinclair etwas über Lorenzo zu sagen.
Er war der eigentliche Chef im Ring. Er sorgte dafür, daß die Dinge, die niemand brauchte, an den Mann oder an die Frau gebracht wurden. Er war der Super-Verkäufer mit der schnellen Zunge und den flotten Sprüchen. Bestimmt ein gutaussehender und wohlerzogen wirkender Mann, der sich seiner Wirkung besonders auf ältere Frauen voll bewußt war.
»Ich höre.«
Britta wußte, daß sie in der Klemme steckte und Lügen keinen Sinn hatte. »Ja«, sagte sie. »Es gibt ihn. Es gibt diesen Lorenzo. Er und ich arbeiten zusammen.«
»Das ist doch mal was.«
»Wir müssen es auch. Oder kennen Sie den Sinn dieser Einkaufsfahrten nicht?«
»Keine Sorge; der ist mir bekannt. Nur nicht seine Pervertierungen. Da habe ich eben meine Probleme, so wie jetzt. Lorenzo ist der Chef, da habe ich Sie richtig verstanden. Er wird mir sicherlich einiges sagen können, auch über den Tunnel hier.«
Britta schüttelte den Kopf. »Hüten Sie sich vor ihm. Das sollte ich Ihnen zwar nicht sagen, aber es ist besser für uns beide. Es ist das Geheimnis, und ich weiß, daß Lorenzo sich damit auskennt. Wenn wir nach oben gehen, können wir ihn fragen, so daß…«
»Ruhig!«
Suko hatte das Wort sehr scharf ausgesprochen und seine Wirkung damit nicht verfehlt. Britta hielt tatsächlich den Mund.
Dem Inspektor war etwas aufgefallen. Lange hatte er das Geräusch nicht mehr gehört, nun aber war es wieder aufgeklungen, abermals hinter der Wand.
Allerdings war es deutlicher zu hören gewesen, da es keinen Spiegel mehr gab.
Er wartete die folgenden Sekunden ab. Es war wieder still geworden, bis zu dem harten Pochen. Es drang aus der Öffnung, als stünde jemand direkt dahinter, doch dort malte sich kein Wesen ab.
Suko senkte seinen Blick und konzentrierte sich auf Britta. »Haben Sie es auch gehört?«
»Ja«, gab sie mit schwacher Stimme zu.
»Und was sagen Sie?«
»Ich… ich… weiß es nicht genau, was sich dahinter aufhält. Verdammt, ich habe keine Ahnung.«
»O doch, die haben Sie. Sie wollen mir nur nichts mitteilen. Das finde ich nicht gut.«
»Lorenzo weiß mehr.«
»Hören
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