1114 - Der Pestmönch
verschmolzen.
Dann riß auch der letzte Halt.
Suko merkte, daß er jetzt nur noch ein Spielball war. Einen Moment später schoß er hinein in die tiefdunkle Tunnelröhre, die kein Ende zu nehmen schien.
Weit vor sich sah er Britta.
Sie flatterte wie ein großes Stück Papier in den unheimlichen Tunnel hinein. Er hörte ihre fernen Schreie und nahm auch das schreckliche Lachen wahr, das seinen Weg in die Schwärze begleitete…
***
Der Blutstrom war mit der Dicke eines Arms aus der Schulter der Frau geschossen. Sogar mit so viel Kraft, daß er bis gegen die Decke geklatscht war und dort einen makabren großen Fleck hinterlassen hatte.
Die ältere Frau mit den leicht lila gefärbten Haaren saß auf ihrem Stuhl wie festgelötet. Sie hatte sich nicht bewegt. Auch nicht, als die Masse raketengleich aus der Schulter geschossen war. Wahrscheinlich begriff sie gar nicht, was hier vorgefallen war, denn nicht einmal ein Schrei drang aus ihrem offenen Mund.
Auch die anderen Gäste konnten es nicht fassen. Zu ihnen gehörten auch Glenda und ich.
Ich hatte gewußt, daß mit dieser Frau, die auf den Namen Paula hörte, etwas passieren würde. Ich war auch entschlossen gewesen, einzugreifen, aber es war nicht mehr möglich gewesen. Ich war einfach zu weit von ihr entfernt gewesen. Niemand hätte das Unheil stoppen können.
Das Blut war bis zur Decke geklatscht. Einige Tropfen fielen nach unten auf die Gäste oder landeten auf den Tischen und den Tellern, die zum großen Teil schon leergegessen waren.
Das waren Sekunden, in denen die Zeit zwar nicht stillstand und normal weiterlief, man als Unbeteiligter jedoch den Eindruck haben konnte, daß sich sämtliche Bewegungsabläufe zum Zeitlupentempo verlangsamten.
Ich sah in meiner Nähe eine entsetzte Glenda Perkins, der es nicht anders erging als den normalen Fahrgästen aus dem Bus. Sie konnte nichts tun, zu schrecklich war das Geschehen.
Ich setzte meinen Weg fort und war wohl der einzige, der sich normal bewegte. Abgesehen von diesem Lorenzo, dem großen Verkäufer und Schaumacher, der hier die Regie übernommen hatte.
Er stand noch an seinem Pult. Ein schneller Blick auf ihn machte mir klar, daß er nicht so überrascht gewesen war. Wie hätte ich das kalte Grinsen auf seinem Gesicht sonst einschätzen müssen?
Ich war als erster bei der Frau. Ihre Schulter sah furchtbar aus, obwohl kein Blutschwall mehr hervorströmte. Der klebte jetzt unter der Decke, und es tropfte noch immer, so daß es auch mich erwischte.
Der Stoff war ebenfalls zerfetzt worden. In der Schulter malte sich das Loch wie eine Mulde ab.
Durch den Druck waren auch die Knochen zersplittert und Sehnen zerrissen worden. Nur hatte ich dafür zunächst einmal keinen Blick. Die Frau war wichtiger, die noch lebte und trotzdem aussah wie eine Tote.
Die Menschen rechts und links von ihr rutschten trotz der Enge noch zur Seite als hätte die Person einen Ausschlag bekommen. Sie wollten auf keinen Fall mit ihr in Berührung kommen.
Jetzt erst gellten die ersten Schreie auf.
Sie waren der Anfang einer Panik. Niemand blieb mehr auf seinem Platz sitzen. Alle sprangen auf.
Sie wollten wegrennen, nur fort von diesem Tisch des Schreckens. Ich bekam mit, wie die Masse der Menschen zur Ausgangstür drängte. Was dort passierte, sah ich nicht, weil ich mich um Paula kümmerte.
Seltsamerweise schrie sie nicht. Sie saß da wie eine kaputte Puppe. Sie zitterte nicht einmal. Starr, in sich selbst versunken. Ihre Augen konnte ich nicht sehen, stellte mir allerdings vor, daß sie sich ebenfalls nicht bewegten.
Plötzlich drang ein Seufzen aus ihrem Mund. Ich war im Begriff gewesen, mein Kreuz hervorzuholen. Das konnte ich mir jetzt schenken, denn es gab nichts mehr, was ich noch tun konnte.
Paula kippte nach vorn und über den Tisch hinweg. Sie schob Kaffeetassen und einen Teller zur Seite, so daß das Geschirr über den Rand kippte und am Boden zerschellte.
Der verdammte Keim hatte schon in ihr gesteckt. Wie auch bei Kate Cameron. Doch da war aus der Schulter der Kopf des Fressers gewachsen. Bei Paula war es »nur« Blut gewesen.
Da sie mit dem Kopf auf ihre Unterarme gefallen war und auch ihren Mund verdeckte, drehte ich sie zur Seite. Dabei stellte ich fest, daß sie noch lebte und nur in tiefe Bewußtlosigkeit gefallen war.
Dann stand Glenda neben mir. Sie wollte etwas fragen, doch sie schaffte es nicht. Der Schock schnürte ihr die Kehle zu.
»Gleich«, sagte ich nur, »gleich…«
Auch ich fühlte mich
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