1116 - Der Hexenkelch
auch ich nicht an. Schließlich bin ich kein Herkules.«
Er überlegte. Er war unsicher geworden. Er schaute mich an, dann wieder zu Boden, saugte die Luft ein, blies den Atem aus und schüttelte den Kopf. »Nein, ich kann es nicht. Ich muß an die Kinder denken.«
»Die werden nur überleben, wenn ich freikomme!« schrie ich den Kapitän an.
Er war in eine Zwickmühle geraten. Er wußte nicht mehr, wo er noch hinschauen sollte und schrie mich schließlich an. »Verdammt, was soll ich denn machen?«
»Mich endlich losbinden!« brüllte ich zurück.
Vielleicht hatte ich jetzt den richtigen Ton getroffen, möglicherweise waren es auch meine vorherigen Worte gewesen, die Josuah Black zu einer Kehrtwendung veranlaßt hatten, jedenfalls hielt er inne, schaute sich um und nickte dann.
»Ja, auch wenn man mich dafür verflucht! Ich werde es tun! Fragen sie mich nicht, Sinclair, weshalb ich das mache, kann sein, daß ich Ihnen tatsächlich mehr glaube als anderen, aber ich ziehe das durch. Der Terror muß ein Ende haben.«
»Beeilen Sie sich! Die verdammte Banshee kann jeden Moment hier erscheinen.«
»Es gibt wohl keine Zeiten«, sagte er.
»Trotzdem!«
Black starrte auf die Stricke. Sie saßen zu fest. Sie waren zudem dick und auch widerstandsfähig.
Ohne Hilfsmittel bekam er sie nicht durch. Es war auch schwer, die Knoten zu lösen.
»Ich brauche ein Messer!«
»Dann holen Sie es!«
Er verschwand und tauchte im Steuerstand des Kutters unter. Wir dümpelten ruderlos auf dem offenen Meer. Hilfe von dritter Seite konnte ich nicht erwarten. Suko war an Land gefangen.
Die Zeit wurde mir lang. Black suchte noch immer. Aber auch ich tastete mit meinen Blicke die Umgebung ab. Alana war es möglich, auf zwei Ebenen zu existieren. Sie konnte die Zeiten wechseln und plötzlich aus dem anderen Reich erscheinen und dahin wieder verschwinden. Das hatten wir in der Höhle erlebt. Aus diesem Grunde war es durchaus möglich, daß sie sich in meiner Nähe befand. Und es bedurfte nur eines Schritts, um die für mich nicht sichtbare Welt zu verlassen.
Mir ging es alles andere als gut. Die Schmerzen wühlten sich durch meinen Kopf. Der Wind brachte nicht viel Kühlung.
Das Meer hatte zum Teil eine andere Farbe angenommen. Die roten Strahlen der untergehenden Sonne strichen über die Oberfläche hinweg und gaben ihr einen rötlichen Schein, der hoffentlich kein schlechtes Vorzeichen war.
Noch immer hatte die Sonne Kraft, schickte Wärme. Ich fühlte mich ausgetrocknet, obwohl ich vorhin das Wasser getrunken hatte. Außerdem kam mir die Zeit länger vor als gewöhnlich. Es war mir nicht vergönnt, auf die Uhr zu schauen, so hoffte ich nur, daß Josuah Black schnell genug ein Messer fand.
Wenn das ein Fischkutter war, mußten Messer vorhanden sein, denn oft wurden die Fische schon auf den Booten zurechtgeschnitten und ausgenommen.
Er kehrte zurück. Diesmal hatte er seine Sicherheit verloren. Sein Blick lebte von der Furcht, aber er hielt in der rechten Hand ein Messer mit breiter Klinge, das zudem auch scharf genug war. Er blieb vor mir stehen und schaute sich nach der Hexe um. So zumindest deutete ich seinen Blick.
»Black!« schrie ich ihn an. »Machen Sie schon! Ich will endlich die Fesseln loswerden!«
»Ja, ist gut.« Er kam näher und fuchtelte mit der Klinge vor meinem Körper herum.
Das Boot schaukelte vor und zurück, auf und nieder. Es war ein Spielball der See. Black suchte sich die Knoten aus. Wenn er sie durchtrennt hatte, war das schon die halbe Miete. Er ging um mich herum. An der Rückseite des Mastes waren die Stricke zusammengeknotet worden.
Er schnitt nicht. Er hackte. Ich spürte es. Ich hörte sein fluchen, dann säbelte er über die harten Knoten. Das Material war sehr fest zusammengezerrt worden. Immer wieder mußte er neu ansetzen, zudem wollte er mich auch nicht verletzen.
Aber er hatte Erfolg. Ich merkte, daß sich der Druck allmählich lockerte. Einige Taue waren schon zerschnitten. Ich hörte Black lachen, weil er sich über seinen Erfolg freute. »Das packe ich!« flüsterte er. »Verdammt, Sinclair, das schaffe ich. Da brauchen Sie keine Angst zu haben.«
»Schon gut, Käpt'n.«
Er machte weiter und ich versuchte, ihm dabei zu helfen. Bisher hatte ich starr auf dem Fleck gestanden, nun nahm ich einen Anlauf, um zu drücken und zu drehen. Ich wollte weg aus der verdammten Fesselung. Ich wollte sie zuvor lockern, um dann die Reste wegsprengen zu können.
Etwas klatschte neben mir auf den
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