1116 - Der Hexenkelch
Knoten zu öffnen. Schon spürte er den Druck nicht mehr so intensiv, und über seine Lippen huschte das erste Lächeln.
Der Erfolg tat ihm gut.
Er kämpfte. Er gab nicht auf. Schweiß rann ihm übers Gesicht. Er sickerte an seinen Augen vorbei, er fand seinen Weg auch über den Körper, und Suko hatte allmählich das Gefühl, von einer Dampfwolke umgeben zu sein.
Wieder drehte er seine Hände. Er zerrte an den Stricken, dann platzte der nächste Knoten, und plötzlich konnte er seine Hände schon gegeneinander bewegen.
Es klappte.
Zwei Minuten später fielen die Stricke. Er war frei. Auch jetzt behielt Suko die Nerven. Er sprang nicht auf, um zum Ausgang zu rennen, sondern blieb in seiner Haltung sitzen und rieb seine Handgelenke, in denen sich das Blut gestaut hatte.
Tief durchatmen. Zur Ruhe kommen. Die Spannung abfließen zu lassen, um sich auf das Wesentlich konzentrieren zu können. All dies nahm er sich vor und führte es auch durch.
Eine Bodengymnastik brachte ihm die Geschmeidigkeit zurück. Erst dann war Suko bereit, wieder loszuziehen.
Mit einer sicheren Bewegung stand er auf. Zum Ausgang ging er nicht, die Tür war auch sicherlich abgeschlossen. Er kümmerte sich um Alan Friedman, der bewußtlos war und nicht den Eindruck machte, als würde er so schnell wieder erwachen.
Auf ihn konnte Suko nicht zählen. Es war auch nicht weiter tragisch. Er glaubte nicht, daß ihm Alan eine große Hilfe gewesen wäre. Er ging zur Tür und untersuchte sie.
Es war der einzige Ausgang. Zwar existierten auch Fenster, sie aber waren zu schmal. Erst jetzt fiel ihm der Schafsgeruch auf. Man hatte ihn in einen Schafstall gesperrt.
Wie er es sich gedacht hatte, war die Tür von außen verschlossen. Fugendicht schloß sie nicht. So sickerte durch einen Spalt das Licht hinein und verlor sich auf dem Boden.
Suko dachte darüber nach, ob er es schaffen konnte, die Tür mit den bloßen Händen aus den Angeln zu reißen. Zu den Schwächsten gehörte er nicht. Es war zumindest einen Versuch wert, doch dazu kam es nicht, weil er von draußen her Schritte und auch Stimmen hörte.
Suko zog sich von der Tür zurück und ging zu dem Platz, an dem er vorhin noch gelegen hatte. Er nahm die Stricke auf und drapierte sie über seine Handgelenke. Die Waffe hatte man ihm abgenommen, er mußte sich auf seine körperlichen Kräfte verlassen, was auch nicht schlecht war, denn Suko gehörte zu den geübten Kämpfern.
Zwei Stimmen, zwei Männer.
Einer von ihnen schob die Tür auf. Suko blinzelte hinüber. Er sah einen noch jungen Mann im vollen Licht auf der Schwelle stehen, der Sukos Beretta in der rechten Hand hielt und sich umschaute.
Wie er die Pistole trug, ließ darauf schließen, daß er keine Erfahrung im Umgang mit der Waffe hatte.
Hinter ihm stand der zweite. »Es ist doch noch alles so, wie wir sie verlassen haben.«
»Ja, ich weiß.«
»Wir schleifen sie raus.«
»Okay.«
Der junge Mann mit der Waffe kümmerte sich zuerst um Suko. Der andere ging auf Alan Friedman zu.
Suko betrachtete unter halb geschlossenen Augen seinen Spezi. Der Mann war vorsichtig. Suko war froh, daß er so tief im Stall lag, so erreichte ihn das Licht nicht, und es war kaum zu sehen, daß er sich selbst die Fesseln gelöst hatte.
Noch einen Schritt, dann war er nahe genug heran. Er ging hin. Die Mündung der Waffe wies auf Sukos Körper. Er würde sie erreichen können, und er wartete auf den günstigsten Augenblick.
Der Zufall kam ihm zu Hilfe.
»He, der Knabe hier ist noch immer weggetreten. Was ist mit dem anderen?«
Der Mann mit der Waffe schaute zu seinem Freund hin, und genau diesen Moment der Unaufmerksamkeit nutzte der Inspektor aus.
Sein Arm bewegte sich so schnell wie der vorschnellende Körper einer Schlange. Suko schnappte nicht zu, er schlug zu. Und er traf mit seiner Handkante genau den richtigen Punkt. Der junge Mann schrie auf. Er konnte die Waffe nicht mehr halten. Sie rutschte ihm aus der schweißfeuchten Hand, fiel zu Boden, und dann hatte Suko sie bereits in der Hand und richtete sich auf, während er mit der linken Handkante den jungen Typ von den Beinen holte.
Der zweite war herumgefahren, aber jetzt sah er in die Mündung der Beretta.
Er war völlig konsterniert. Was hier so schnell geschehen war, überstieg sein Begriffsvermögen. Er stierte Suko an, und plötzlich begann er vor Furcht zu zittern, denn er sah seinen Freund bewegungslos am Boden liegen.
»Komm her!« wies Suko den Kerl an.
Der gehorchte, und Suko
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