1118 - Zwischen Himmel und Hölle
erinnerte, dass sie über die eigene Zukunft nichts wusste. Sie selbst war nicht in der Lage, sich Gedanken zu machen, ein anderer dachte jetzt für sie, und der war gefährlich genug.
Jane schätzte die Entfernung zwischen ihnen ab. Sie war ideal für einen gezielten Schuss. Da hätte sogar ein Kind treffen können, wäre es ihm gelungen, die Waffe normal zu halten.
Das schaffte Sarah. Nicht grundlos hielt sie die Beretta mit beiden Händen. Ihr Lächeln war böse. Es verzerrte die Lippen. Aber die Augen lächelten nicht mit.
»Warum, Sarah? Warum?«
»Ich töte dich.«
Diese Worte trafen sie wie Schläge. Harte, unsichtbare Hiebe, unter denen Jane Collins zusammenzuckte. Sie bekam für einen Moment kaum Luft. Sie war einfach fertig, so etwas aus dem Mund der Horror-Oma zu hören. Und mit welcher Verbissenheit sie gesprochen hatte!
»Du kannst mich doch nicht erschießen, verdammt! Denk daran, Sarah, das ist unmöglich. Du weißt doch, wer ich bin und wie wir zueinander stehen. Überlege mal. Das kann nicht angehen, was du tust. Das ist einfach nicht mehr wahr.«
»Doch, Jane!«
»Ha, du kennst meinen Namen. Du hast dich wieder erinnert. Wunderbar, wir sollten uns jetzt zusammensetzen und…«
»Ich muss dich töten!«
Jane schloss für einen Moment die Augen. Sie konnte das Bild nicht mehr länger ertragen, und sie musste sich damit abfinden, eine Todfeindin vor sich zu sehen.
Noch immer spürte sie das Gewicht der mit Mineralwasser gefüllten Dose in der rechten Hand. Sie kam ihr jetzt schwer wie eine Hantel vor. Sie wollte auch nicht mehr reden, und sie konzentrierte sich einzig und allein auf die Augen der vor ihr stehenden Person, die für sie so fremd geworden war. Jane befand sich in einem Zustand zwischen Himmel und Hölle. Sie fühlte sich von den beiden Kräften umgeben, und in ihr Blickfeld geriet immer stärker die Stirn der Lady Sarah hinein.
Sie war plötzlich interessant für Jane Collins geworden, denn die Veränderung dort auf der Mitte bildete sie sich nicht ein. Sie war vorhanden. Auf der glatten Haut zeichnete sich sehr dünn etwas ab.
Ein Fünfeck?
Es war ihr bekannt. Der Hellseher trug es ebenfalls auf der Stirn.
Bei ihm jedoch hatte es rubinrot geleuchtet, und es hatte auch ausgesehen wie ein Stein.
Sarah Goldwyn war von ihm infiziert worden. Sie stand unter seinem Bann, und Jane würde es nicht schaffen, sie wieder in die Normalität zurückzuholen. Trotzdem versuchte sie es. »Wir können noch einmal miteinander reden, und wir könnten auch…«
Sarah sagte nichts mehr. Sie handelte. Und schoss!
Vielleicht war es die schlimmste Sekunde, die Jane in ihrem Leben je durchlitten hatte. Und auch deshalb zog sich diese Sekunde scheinbar so lange hin, um die doppelte, dreifache und vierfache Zeitspanne hinweg. Sie hatte sich sehr stark auf die Horror-Oma konzentriert. Sie hatte auch den rechten Zeigefinger sehen können, und ihr war dessen Zucken nicht entgangen.
Was dann passierte, bekam sie kaum mit, weil sie reagierte wie ein Automat. Als Lady Sarah abdrückte und Jane sah, dass sie mit Worten nichts mehr erreichen konnte, da wuchtete sie der Horror-Oma die gefüllte Wasserdose entgegen.
Das schwere Ding flog wie ein Stein auf Lady Sarah zu. Es hatte sie im letzten Augenblick abgelenkt, so dass die Waffe etwas aus der Richtung gekommen war.
Die Dose traf, aber die Kugel auch. Jane sah nicht, wo die Wasserdose aufgeprallt war, sie spürte nur den scharfen beißenden Schmerz in ihrer linken Schulter, aber auch in der Nähe des Halses.
Etwas glühendes war über ihr Fleisch gefahren und musste dort eine Furche hinterlassen haben.
Jane Collins war nicht stehen geblieben. Noch während ihrer Aktion hatte sie sich zur Seite geworfen, und sie landete hart auf dem Küchenboden, wo sie nicht liegen blieb, sondern sich um die eigene Achse drehte. Sie stieß dabei gegen den kleinen, im Weg stehenden Tisch, der von der Küchenzeile her ausziehbar war.
Auf ihre Verletzung achtete Jane nicht. Sarah war wichtiger. Wenn sie es richtig durchziehen wollte, dann musste sie noch einmal schießen, und Jane rechnete auch damit.
Aber die Horror-Oma war verschwunden. Sie hatte die Küche fluchtartig verlassen, und Jane wusste auch nicht, wo sie jetzt steckte. Zu hören war jedenfalls nichts. Sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass sie das Haus verlassen hatte. Wahrscheinlich würde sie einen zweiten Anlauf nehmen.
Jane hatte Zeit, sich um sich zu kümmern. Sie lag auf dem Rücken und auch
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