112 - Der weiße Mönch
passende kleine Äste aus und brach sie ab. Leider hatte er kein Messer und auch kein anderes Hilfsmittel, mit dem er die nicht ganz armdicken Pflöcke an einem Ende zuspitzen konnte. Von den beiden Ästen, die er ausgewählt hatte, brach er die Blätter und Zweige ab. Dann jagte er dem flügellosen Vampir das verjüngte Ende in die Brust. Erst beim zweiten Versuch klappte es.
Der Vampirleib erwies sich als außerordentlich zäh. Abi mußte den Pflock mit größter Wucht in die unheilige Kreatur rammen, um den gewünschten Erfolg zu haben. Der Vampir - ihm waren schon wieder kleine Fledermausflügel nachgewachsen - gab einen Ächzer von sich, dann zerfiel er zu Staub.
Abi packte schnell den anderen, ehe er sich davonmachen konnte. Der Blutsauger wollte ihn beißen und kratzen, doch der Däne wußte sich zu wehren. Schließlich besiegelte er auch das Schicksal dieses Vampirs.
Schweratmend blieb er neben den beiden kläglichen Staubresten kauern, die noch von der Vernichtung der Scheusale zeugten. Plötzlich bemerkte er zwei Schatten. Er zuckte zusammen und fuhr auf. Unwillkürlich dachte er an einen weiteren Angriff der Dämonen. Dann erkannte er jedoch den Eremiten und den großen, muskulösen Mann mit den ziemlich langen, schwarzen Haaren - Unga! Er grinste erleichtert.
„Das war saubere Arbeit", sagte der uralte Mann anerkennend.
Mit einem. huschenden Blick streifte er die beiden Staubhaufen. Wieder hatte er den Kopf ein wenig schief gelegt. Er erwiderte Abis Ausdruck mit einem feinen, hintergründigen Lächeln.
„Danke. Unga, jetzt sag mir bloß mal, wo du so plötzlich herkommst!"
„Ich war im unterirdischen Gewölbe."
Abi verzog zweifelnd das Gesicht. „Mensch, ich hätte doch bemerken müssen, wie du in die Luke stiegst. Oder gibt es etwa noch einen zweiten Ei gang?"
Er musterte den Eremiten mit plötzlichem Argwohn.
Unga schüttelte den Kopf. „Nein. Das war so: Als alle Dämonen unten vor der steilen Treppe versammelt waren und sich noch mit euch fünf Männern beschäftigten, schlich ich hinter ihnen runter und verdrückte mich gleich in einen Nebengang. Sie müssen mich wohl für einen von den ihren gehalten haben."
„Was mal wieder zeigt, wie dämlich sie im Grunde doch sind", sagte Abi verächtlich. „Ihr habt euch dort unten also getroffen und zusammengetan. Oder wie war das? Was ist denn eigentlich passiert?" „Ich konnte fliehen", erklärte der Eremit. „Und es gelang uns, die Geschöpfe nach und nach zu vernichten."
„Das trifft sich gut", meinte der Däne. „Es werden bald neue Helfer Luguris eintreffen, aber bevor die hier sind, gehe ich ins Labyrinth und suche nach dem Grab des Weißen Mönches."
Der Eremit machte eine abwehrende Geste. Unga sagte: „Abi, tu das nicht! Du weißt ja nicht, was dort auf dich lauert. Schon allein, wenn du die Ruine betrittst, kannst du tausend Tode sterben."
„Es ist eine verfluchte, mörderisch gefährliche Stätte", fügte der Alte hinzu.
Abi wußte nicht, ob er lachen oder loswettern sollte. „Wem sagt ihr das? Glaubt bloß nicht, daß ich Angst habe. Ich bin mit zwei großen Vampiren fertiggeworden und schlage mich gern noch mit einigen anderen Widerlingen herum, wenn ich dafür das Geheimnis des Weißen Mönches herausbekomme."
„Es sind nicht nur Luguris Dämonen", wandte Unga rasch ein. „es gibt auch magische Fallen dort unten. Der alte Mann wäre fast in eine mit Silber- und Eichenpfählen gespickte Grube gestürzt. Die Sekte, die hier vor dreihundert Jahren ihr Unwesen getrieben hat, hat mit allen Mitteln dafür gesorgt, daß keiner an die Grabkammer des Sephirotus gelangt."
„Und wenn schon! Wir haben doch schon ganz andere Dinge gedreht."
Abi Flindt lachte. Er war unverbesserlich.
„Hast du ein paar Dämonenbanner bei dir, Unga? Es wäre nett, wenn du mir welche abgeben könntest, dann fühle ich mich etwas sicherer, wenn ich runtersteige."
Unga zögerte. „Im Prinzip helfe ich dir, wo ich kann, Abi. Das weißt du. Aber falls du die Gegenmittel brauchst, um das Labyrinth zu erforschen…"
„Was denn sonst?" gab Abi scharf zurück.
„Du rennst in dein Verderben. Das können wir nicht verantworten", sagte der Eremit.
Der Däne stemmte die Fäuste in die Seiten. „Jetzt reden wir mal Klartext, Unga, du dickschädeliger alter Cro Magnon. Mir ist ja bekannt, daß du ein Helfer von Hermes Trismegistos bist und deshalb nicht willst, daß Dorian Hunter zu uns zurückkehrt."
„Nein!" Unga hob eine Hand und rief noch
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