112 - Monster im Prater
schläft er wie ein
Murmeltier, vielleicht wacht er beim geringsten Geräusch auf. Die andere Sache
wäre, dass das, was ich an einem bestimmten Ort vermute, vielleicht doch nicht
dort liegt, sondern im Wohnwagen zu finden ist. In diesem Fall müssten wir ein
kleines Spielchen inszenieren. Du krabbelst hier rum, sorgst für Unruhe, und
Perkush geht der Sache auf den Grund. Ich seh mich inzwischen im Wohnwagen um
und such den Schatz ...“
„Glaubst du
denn wirklich, dass der Bursche so reich ist?“
„Er hat nen
Tick, Andreas. Ich hab nen Blick für solche Sachen. Perkush liebt Gold. Du
hättest den Ring an seinem Finger sehen sollen. Das Ding ist massiv gearbeitet.
Auch die Uhr ist nicht von schlechten Eltern. Sie ist ebenfalls aus Gold, und
aus Gold ist auch das große Kreuz, das er auf der Brust an einer großgliedrigen
Kette trägt. Wenn er auftritt, hat er das Hemd offen. Das Kreuz ist zehn
Zentimeter hoch und schwer. Ich bin überzeugt davon, dass sogar die Knöpfe und
Manschetten an seinem Hemd aus Gold gearbeitet sind.“
„Vielleicht
stimmt das mit dem Ring und dem Kreuz. Aber alles andere ...“, sagte Wibbert
und schüttelte den Kopf, „glaub ich einfach nicht. Der schwimmt nicht im Geld.
Kann mir nicht vorstellen, dass einer, der in einem solch schäbigen Wohnwagen
lebt und angeblich ein Monster zur Schau stellt, mit Reichtümern gesegnet ist.“
„Das äußere
Bild täuscht, glaub mir... Mit diesem Perkush hat es eine besondere Bewandtnis.
Der Bursche zeigt der Welt ein falsches Bild - vielleicht genau so falsch wie
das Monster, das angeblich mit ihm durch die Kontinente reist und das doch
niemand je gesehen hat.“ Meixner kratzte sich im Nacken.
„Du hast’s
heute Abend schon ein paar Mal erwähnt. Der Ungar scheint sich gut auf die Gabe
der Hypnose zu verstehen“, ließ Wibbert sich vernehmen. „Er vermittelt den
Zuschauern nicht nur die Illusion, ein Monster gesehen zu haben, sondern auch
die, dass er mit Gold behangen ist... Vielleicht findest du nen Blechring, ein
Holzkreuz und ne Uhr im Messinggehäuse ...“ Wibbert grinste, weil ihm so viel
dazu einfiel. Er wusste, dass sein neuer Freund insgesamt zwei Vorstellungen
des sonderbaren Schaustellers besucht hatte. Beide Male war der Zuschauerraum bis auf den letzten Platz besetzt gewesen. Perkush hatte sein
einzig wahres lebendes Monster vorgeführt. Nach einer halben Stunde hatten die
Menschen die Zeltbude wieder verlassen. Keiner erzählte etwas von dem, was er
darin gesehen und erlebt hatte. Die Zuschauer hielten sich streng an die im
Zelt gegebene Zusage, nichts über das Monster verlauten zu lassen, um nicht zu
verraten, wie es aussah. Wenn grundsätzlich alle Besucher bei diesem
Versprechen blieben und keiner aus dem Nähkästchen plauderte, war das in
höchstem Maß unreal. Wibbert war überzeugt davon, dass Massensuggestion
dahintersteckte, dass die Besucher von Perkush entweder an der Nase
herumgeführt worden waren und praktisch nichts gesehen hatten, oder absichtlich
ins Vergessen hypnotisiert wurden. Der blasse, kränklich aussehende Mann
deutete auf ein weiter zurückgebautes, größeres Zelt, das orange- und
lilafarben gestrichen war, worauf sich die übergroßen Abbilder nackter,
vollbusiger Frauen befanden. „Samantha's Erotik-Show“, las Wibbert. „Mir wäre
lieber gewesen, dort Wache zu halten. Vielleicht schläft eines der süßen
Mäuschen im Zelt und ...“
„Wenn wir
Perkushs Gold haben, kannst du dir mehrere süße Mäuschen aus Samatha's Sex-Zelt
gleichzeitig leisten“, fiel Meixner seinem Begleiter flüsternd ins Wort. „Für
die Beute hab ich einen Abnehmer, und der zahlt gut.“
Die beiden
Männer verhielten sich äußerst vorsichtig, obwohl sie wussten, dass sich außer
Perkush in seinem Wohnwagen praktisch kein Mensch auf dem nächtlichen
Rummelplatz aufhielt. Die Besitzer der anderen Unternehmen wohnten in Wien oder
außerhalb und waren nur tagsüber in ihren Betrieben. In den Budengassen war es
stockfinster, und auch die Wetterlage - stark bewölkt und leichter Nieselregen
- kam den Männern für ihren Coup entgegen. Meixner umkreiste gemeinsam mit seinem
Kumpan den Wohnwagen und das Zelt. In dem Gefährt war alles dunkel und still.
Hinter dem Zelt, seitlich der Bühne, auf der Perkush sein Monster vorzuführen
pflegte, gab’s einen kastenähnlichen Anbau. Der war ganz aus Holz und Blech,
und eine schmale Tür war der einzige Zugang. Er war mit zwei
Sicherheitsschlössern versperrt. „Der
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