112 - Monster im Prater
Baumaschinen und eine
Bretterhütte mit den untergebrachten Arbeitsgeräten blockierten den Weg. Ums
Haus war ein Gerüst erstellt. Auf breiten Bohlen lag zentimeterdick weißer
Staub, den Gehweg bedeckten
herausgebrochene
Steine, Mörtel und Schutt, der an einer Stelle vor die Hauswand gekehrt worden
war. Im Haus gab es kein einziges Fenster mehr. Die dunklen Höhlen starrten die
Ankömmlinge wie tote Augen an. Aus dem ehemals mittleren Fenster zur Straße hin
ragte eine nach oben geklappte Schütte, aus der tagsüber abgeklopfter Verputz,
morsche Balken und leere Zementsäcke in die Tiefe geworfen wurden. Der Zugang
zum Haus war durch die noch erhaltene Tür gesichert. Diese war abgeschlossen.
Aber Sachtler hatte einen Schlüssel. Der schweigsame Fahrer - ein Mann, der am
Lenkrad saß, als hätte er einen Stock verschluckt - sagte auch jetzt nichts,
als die Frau und die beiden Männer ausstiegen. Er hatte den Auftrag, die Leute
zu fahren, aber nicht mit ihnen zu sprechen.
„Er hätte die
Butler-Schule in London bestimmt mit Auszeichnung absolviert“, konnte Larry
Brent sich die Bemerkung nicht verkneifen, als er Morna die Hand reichte, um
ihr aus dem Wagen zu helfen. X-GIRL-C, eine Frau, die mit beiden Beinen fest im
Leben stand, mochte diese kleinen Gesten der Höflichkeit und Verehrung. Sie
fand es keineswegs unmodern oder unter ihrer Würde, sich in den Mantel oder
eben aus dem Auto helfen zu lassen. Dies passte ebenso zu ihr wie die Tatsache,
dass sie hart kämpfen konnte wie ein Mann, dass sie ihre Fäuste, ihre
Intelligenz und auch ihre Waffe einzusetzen verstand. Sachtler schloss die Tür
auf. Im Flur gab es eine Lampe. Sie ließ sich jedoch erst einschalten, nachdem
Sachtler den Sicherungskasten geöffnet und die Hebel hochgedrückt hatte.
„Abends, wenn die Arbeiter gehen, schalten sie sämtliche Sicherungen aus, damit
alles seine Ordnung hat“, sagte Sachtler im Wiener Dialekt. „Das muss sein,
damit hier keiner Unfug treibt. Kommen Sie bitte ...“
Der gut
genährte, schnauzbärtige Mann ging durch den großen Hausflur. Der Boden war
ebenfalls mit grauweißem Mörtelstaub bedeckt. Überall standen Geräte und Eimer,
Schaufeln und Säcke mit Zement und Füllspachteln herum. Die Wände ringsum waren
aufgeklopft worden, die Türen zu den unteren Etagen fehlten teilweise, und die
nächtlichen Besucher des großen Hauses konnten in die dahinterliegenden Räume
blicken. Ganze Wände waren eingerissen oder Durchlässe geschaffen worden, so
dass Räume miteinander verbunden waren, zwischen denen zuvor eine Mauer
aufragte. Der Zugang zum Keller lag hinter der breiten, geschwungen nach oben
führenden Steintreppe. Der Aufzug war hinter einem Gitter zu sehen. Ein Schild
hing an der Tür: Außer Betrieb. Sachtler öffnete die quietschende Kellertür.
Steil führten die Stufen in die Dunkelheit. Der Kommissar tastete nach dem
Lichtschalter. „Wir haben uns erlaubt, hier
unten ein
paar Zusatzlampen anzubringen“, sagte er. „Der ganze Keller lässt sich taghell
ausleuchten.“
„Na, dann
lassen Sie mal sehen“, bemerkte X-RAY-3, der hinter dem Mann stand. Das Knacken
des Schalters war zu hören. Es blieb dunkel...
„Da scheint
einer die Birne rausgeschraubt zu haben“, murmelte Brent.
Zwischen
Sachtlers buschigen Augenbrauen entstand eine steile Falte. „Versteh ich nicht.
Ich hab doch sämtliche Sicherungshebel betätigt ... Moment ... Ich seh noch mal
nach Er machte auf dem Absatz kehrt und lief den Gang
zurück. Larry und Morna verharrten an der Kellertreppe, X-RAY-3 knipste seine
Taschenlampe an und führte den hellen Lichtstrahl über die dunklen Steintreppen
hinweg, über die blatternarbig aussehenden Wände. Auch hier war stellenweise
der Verputz abgeklopft. Es roch muffig. Unten an der Wand stand ein alter
Kohleofen, den jemand zur Aufbewahrung dorthin gestellt hatte. Vielleicht
wollte ein Arbeiter das nostalgische Stück mit nach Hause nehmen, zur
Verzierung oder zur Wiederinstandsetzung, um Öl zu sparen. Der Keller war groß,
und doch nicht mehr so wie noch vor einigen Tagen oder Wochen. Alle Türen waren
herausgerissen, einige Wände durchbrochen. Das ganze Haus wurde von Grund auf
neu gestaltet. Larry Brent ging nach unten. Feiner weißer Staub wirbelte auf
und legte sich nieder auf seine geputzten Schuhe. Unten angekommen, blickte
X-RAY-3 nach allen Seiten. Das Haus hatte eine enorme Ausdehnung. Der
Mittelgang war sauber gefegt. Am Ende des Hauptgangs war eine Wand
niedergerissen.
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