113 - Gebeine aus der Hexengruft
sich einfach um seine eigene Achse,
kletterte aus dem fast zu ebener Erde liegenden Fenster und lief davon.
Peggy in Sicherheit? Diese Frage war für
Morna im Moment am wichtigsten. Konnte sie es wagen, die Freundin kurz allein
zu lassen?
Wie eine Raubkatze, die ihren Körper
geschmeidig bewegt, setzte sie über das Fenster nach.
Die Schwedin erblickte die dunkle Gestalt,
die sich kaum von der mannshohen Hecke abhob.
Zweige knackten, Laub raschelte. Die Gestalt
tauchte unter. Auf der anderen Seite des Heckenzauns war ein kleiner Wald,
Unterholz und stark belaubtes Dickicht.
Dort entstand Bewegung.
Morna setzte nach und beschleunigte ihren
Lauf.
Kein Geräusch erfolgte mehr. Sie verhielt in
der Bewegung und lauschte. Dann durchsuchte sie das Buschwerk. Der Entkommene
war wie vom Erdboden verschluckt. Hier gab es zahlreiche Versteckmöglichkeiten,
und die Finsternis war der allergrößte Verbündete.
Es war sinnlos, weiterzusuchen. Morna warf
einen Blick zurück zum Schulhaus. Sie glaubte, nicht richtig zu sehen. Dort
bewegte sich ebenfalls eine dunkle Gestalt...
Peggy, schoß es ihr durch den Kopf! Sie ist
in Gefahr!
●
Die Schwedin jagte zum Haus zurück.
Die Gestalt war aus einer Seitentür getreten
und versuchte wie der Beilschwinger ebenfalls in der Dunkelheit unterzutauchen.
Aber diesmal war Morna Ulbrandson schneller.
Noch ehe der Enteilende die Hecke erreichte,
griff Morna nach der Gestalt, hielt sie am Ärmel fest. „Nicht so schnell“,
sagte sie kühl, darauf gefaßt, daß der andere einen Angriff startete.
Doch der fuhr nur erschreckt zusammen, als
würde jemand einen Eimer eiskalten Wassers über seinen Rücken gießen.
Ein wachsbleiches Gesicht drehte sich Morna
zu. Der Mann war dunkel gekleidet. Seine Lippen waren schmal, über seiner
Nasenwurzel stand eine steile Falte, und seine Augen blickten unstet.
Morna ließ ihn los. Auf den ersten Blick
erkannte sie, daß von diesem Gegner keine Gefahr drohte und daß er nicht mal in
der Lage sein würde, sich loszureißen und zu fliehen.
Dieser Mann hatte Angst.
„Wer sind Sie?“ fragte die Schwedin schnell.
„Ich bin Reverend Charles McCorner .“
●
Er sah aus wie ein Pfarrer. Das nahm sie ihm
ab.
„Reverend McCorner?“ murmelte Morna. Der Name
war ihr nicht unbekannt. Peggy Langdon hatte ihn erwähnt im Zusammenhang mit
den Ausführungen über die geheimnisvolle Kapelle. McCorner war ebenso wie die
meisten Einwohner Brimsleys davon überzeugt, daß es dort spuke und man die
Geister am besten schlafen ließe.
Auch in Reverend McCorner hatte Peggy Langdon
nicht die erwartete Hilfe gefunden. „Wieso sind Sie hier in diesem Haus? Mitten
in der Nacht?“
Er verzog die Lippen und machte einen
unglücklichen Eindruck wie ein Junge, den man beim Naschen ertappt hat.
„Ich glaube. . . das
verstehen Sie nicht, Miß ..."
„Ulbrandson. Morna Ulbrandson“.
„Miß Ulbrandson.“
„Wenn Sie mir eine Erklärung dafür gäben,
würde ich das schon verstehen.“
„Ich kenne Sie nicht. Wieso sollte ich ..
„Ich bin eine Freundin Peggy Langdons. Während
ihrer Krankheit kümmere ich mich um sie.“
„Das ist sehr freundlich von Ihnen, Miß
Ulbrandson.“ Reverend McCorner fuhr sich mit zitternder Hand über seine
wächserne Stirn. Schweiß perlte darauf. „Ich bin gewissermaßen auch wegen Miß
Langdon hier. Ihre plötzliche Erkrankung bereitet mir Sorgen. Ich glaube, sie
geht nicht mit rechten Dingen zu.“ Man sah ihm an, daß es ihm schwerfiel,
darüber zu sprechen. Die ganze Situation war ihm höchst unangenehm und
peinlich.
„Eine ungewöhnliche Zeit, einen Krankenbesuch
zu machen“, bemerkte die Schwedin.
McCorner nickte. „Ja, ich weiß. Es sieht
komisch aus. Ich schleiche wie ein Dieb ums Haus und benehme mich noch so
tölpelhaft, mich erwischen zu lassen.“ Er zupfte an seinen Rockärmeln. „Ich
wollte etwas beobachten und konnte das nicht am Tag. Ich mußte erst warten, bis
die Nacht angebrochen war.“
Sein Blick ging über die Schwedin hinweg
Richtung Buschwerk, wo der andere Schatten verschwunden war.
„Sie sind nicht, allein gekommen?“ fragte
Morna schnell.
„Doch. “ , „Ich habe
jemand verfolgt, Reverend. Er war in Peggy Langdons Zimmer eingedrungen. Sie
sollte - ermordet werden ! “
McCorner schluckte. Es sah aus, als würde er
jeden Moment umkippen. „Das ist ja furchtbar.“
Es klang überzeugend.
Morna kam mit dem Verhalten dieses Mannes
nicht zurecht. Er ging mit der
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