113 - Gebeine aus der Hexengruft
Ohren klang und sie einen
breitgefächerten, schwachen Lichtschein wahrnahm.
Wer war das schon wieder?
Ein Auto näherte sich dem Schulgelände?
Morna eilte ans Fenster. Vor dem Haupttor
fuhr ein dunkler Austin vor.
Mornas Augen wurden schmal. „Erst einer, der
zu Fuß kommt, dann einer auf dem Fahrrad und jetzt einer mit dem Auto. Das ist
ja ein Betrieb wie in einem Freudenhaus“, murmelte sie.
Angespannt starrte sie vom dunklen Fenster
nach vorn, über den Schulhof hinweg.
Ein Mann stieg aus, umrundete die Mauer und
näherte sich dem Heckenzaun. Der war stellenweise nicht dicht genug, um einen
Eindringling zurückzuhalten, wie die Situation vorhin bewiesen hatte.
Der Mann kam durch die Hecke auf den Schulhof
und näherte sich der Tür, welche die Schwedin vorhin wieder abgeschlossen
hatte.
Morna Ulbrandson glaubte ihren Augen nicht
trauen zu können. „Man ist aber auch vor keiner Überraschung sicher“, sagte
sie, beugte sich aus dem Fenster und blickte nach unten. „Der gute Larry Brent!
Und mitten in der Nacht... Ohne mich hast du‘s also in London nicht ausgehalten ..
●
X-RAY-3 blickte nach oben. Das helle Gesicht
und die es umrahmenden, blonden Haare leuchteten im Dunkeln.
„Ich bewundere dein Gehör, Schwedenmaid“,
rief er nach oben. „Kaum auf Kies getreten, schon hast du mich am Schritt erkannt.
Öffne dein Fenster weit, ich will dir ein Ständchen bringen, und dann reckst du
deinen schönen Kopf weit nach außen, flechtest das Haar wie Rapunzel zu einer
Strickleiter, auf daß ich zu dir emporklimmen kann in deine kleine Kammer.
Plong, plong“, machte er und nahm dabei die Stellung eines Gitarrespielers ein.
„Das Singen und Emporkömmlingen kannst du dir
sparen“, bekam er zu hören. „Ich werfe dir die Schlüssel nach unten, und dann
komm’ ich dir im dunklen Flur entgegen.“
„Okay, so bin ich lange nicht empfangen
worden. Welch eine Macht ist doch die Liebe“, schwärmte er. „Nur einen halben
Tag haben wir uns nicht gesehen und schon treibt uns
die Sehnsucht und die Leidenschaft in die Arme. Ich könnte den Mond ansingen
und jubeln . ..“
„Das Jubeln wird dir vergehen, Sohnemann,
wenn ich dir sage, was heute abend hier passiert ist...“
●
Morna berichtete ihrem sympathischen Kollegen
von den Ereignissen.
Larry erfuhr von der geheimnisvollen
Erkrankung Peggy Langdons und erklärte, weshalb er sich noch auf den Weg
gemacht hatte. Die Besprechung in London hatte weniger Zeit in Anspruch
genommen, als er für sie ursprünglich angesetzt hatte. Er war nach neun
aufgebrochen, unterwegs in einem kleinen Restaurant eingekehrt und hatte
während des Gewitterregens, dem er entgegengefahren war, etwas gegessen.
Larry ließ sich in dem großen, dunklen Haus
herumführen, nachdem er einen kurzen Blick in das Krankenzimmer geworfen hatte.
„Du hast eine mutige Freundin", meinte
er, als sie die unteren Räume inspizierten. „Sie wohnt ganz allein hier? Ohne
Freund, ohne Hausmeister - und dann noch zu ebener Erde!"
„Ja, genauso ist es.“
Larry wollte wissen, auf welchem Weg der
Eindringling ins Haus gekommen war. Das Fenster, durch das der andere
entschlüpfte, war geklappt gewesen. Aber ohne Anstrengung und in absoluter
Lautlosigkeit wäre es unmöglich gewesen, das Fenster vollends aufzustoßen. Es
war von innen geöffnet worden.
„Um ihm den Fluchtweg zu sichern“, murmelte
X-RAY-3 nachdenklich. „Was .ja in der Tat auch eingetreten ist. Jemand wußte,
daß du hier warst, wollte mit dir aber nichts zu tun haben. Für den Fall, daß
jedoch etwas dazwischenkommen sollte, war es ihm zu riskant, erst den Weg durch
all die Gänge zu machen, die wir gegangen sind. Der kürzeste Weg war der durchs
Fenster. Ihr wart leichtsinnig und habt vergessen, die Türen hier unten
abzuschließen!“
..Nein! Ich habe sie vor dem Zubettgehen
selbst abgeschlossen.“
„Dann muß er schon im Haus gewesen sein und
hat sich irgendwo versteckt.“
„Möglich, aber es gibt auch eine Version.“
„Nachschlüssel“, sagte Larry knapp. „Oder
einen Zweitschlüssel.“
„Ja. Einen habe ich sogar persönlich aus der
Hand gegeben.“
„Na, was sagt man denn dazu. Du leistest
einbrechenden Mördern Hilfsdienste . . .“
„Ich habe den Schlüssel an Schwester Daisy
gegeben. Sie muß hier ein und aus gehen können.“
„Die komische Gedankenverbindung,
Schwedenmaus. Wenn ich mir vorstelle, daß die Gemeindeschwester mit einem Beil
in der Hand rumflitzt, dann
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