1134 - Alissas Vater
eines Kommentars. So recht glaubten sie nicht an einen Erfolg. Alissa reagierte auch nicht, als Father Ignatius auf sie zukam. Sie schaute in die Höhe, und ihre Augen blieben starr wie dunkle Teiche.
Der Mann aus dem Vatikan blieb vor der Frau stehen und senkte den Kopf. Die Lippen zeigten das geduldige Lächeln, das Alissa kannte.
»Geht es dir wirklich gut, Alissa?«
»Jetzt schon.«
»Das freut mich für dich.«
»Nein, ich glaube es nicht. Du freust dich nicht, daß ich meinen Vater endlich gefunden habe. Bitte, lüg nicht. Sei ehrlich zu mir. Darauf bist du immer stolz gewesen.«
»Kann ich mich denn freuen?«
»Du wirst ihn nicht mögen.«
»Kann sein. Wenn dem so ist, hat das schon bestimmte Gründe, Alissa. Du darfst jetzt nicht alles vergessen, mein Kind. Denk daran, daß auch uns etwas verbindet, denn du bist es gewesen, die bei mir oft Halt und Schutz gesucht hat.«
»Das war damals.«
»Nein, nicht damals. Vor einer halben Stunde hast du noch anders gedacht, Alissa.«
»Aber jetzt weiß ich mehr. Es gibt ihn. Es gibt meinen Vater, und es wird auch meine Mutter geben. Die große Leere, das Warten, all das hat ein Ende für mich. Ich kann endlich leben wie viele andere Menschen auch. Endlich«
Ignatius seufzte. »Ich würde es dir von Herzen gönnen, Alissa, aber ich bin weiterhin ehrlich zu dir und glaube nicht daran, daß du so leben wirst oder kannst wie viele andere Menschen auch. Es wird nicht klappen.«
»Warum denn nicht?«
»Dein Vater, und ich spreche nur von ihm, ist nicht normal. Er ist kein Mensch wie wir hier. Du hast ihn gesehen. Du hast eine wahnsinnige Angst vor ihm gehabt. Es ist der Mönch mit den Totenaugen. Er ist kein normaler Mensch. Er ist dein Vater, aber in ihm schlummern wahrscheinlich Kräfte, die keiner von uns hat. Ich möchte darüber nicht spekulieren, weil ich dich nicht durcheinanderbringen will, aber es kann gefährlich für dich werden.«
»Er liebt mich.«
»Das weißt du genau?«
Alissa ließ sich nicht beirren. »Ja, das weiß ich. Es ist alles klar für mich.«
»Weißt du noch mehr über ihn?«
Sie legte den Kopf zurück und lächelte. »Es kann sein, daß ich noch mehr weiß« So glücklich hatte Ignatius sie noch nie erlebt. »Aber ich warte erst ab. Ich bin sicher, daß mich mein Vater nie mehr loslassen wird.«
»Hat er auch einen Namen?« fragte Ignatius.
»Muß er das?«
»Jeder hat einen Namen!« erklärte Ignatius, wobei er das Wort Mensch bewußt ausließ.
Indirekt gab Alissa mit ihrer Antwort zu, daß sie den Namen ihres Vaters kannte. »Er wird dir nichts sagen, Ignatius. Er ist auch nicht wichtig für mich.«
»Trotzdem würde ich ihn gern erfahren.«
»Er heißt Aslan.«
Ein kleiner Erfolg, dachte Ignatius, wobei er zugleich darüber nachdachte, wo er den Namen schon einmal gehört hatte. Aslan hieß nicht jeder zweite. Er war schon außergewöhnlich, und so drehten sich seine Gedanken, führten jedoch zu nichts.
»Du kennst ihn nicht.«
»Nein, Alissa.« Ignatius drehte sich zu Shao und Suko um. »Habt ihr den Namen Aslan schon gehört?«
Beide verneinten. Shao fragte: »Ist das denn ein Name für Mönche? Ich meine, ungewöhnlich genug, klingt er schon, das muß ich zugeben.«
»Ich denke schon«, sagte Ignatius und wandte sich wieder an Alissa. Noch vor Minuten war sie so etwas wie eine Nuß mit sehr harter Schale gewesen. Nun war es ihm gelungen, die ersten Risse innerhalb dieses Panzers zu erzeugen, und er hoffte, daß die harte Schale ganz brechen würde. »Hat er dir denn noch mehr über sich gesagt?«
»Ja, er wird mich nicht mehr loslassen. Er hat es mir versprochen. Er ist auch gekommen«
»Hierher?«
»Er ist immer da!«
»Aber keiner von uns sieht ihn.«
»Das weiß ich.«
Father Ignatius wollte noch weitere Fragen stellen, aber Alissa handelte. Sie streckte zuerst ihren rechten Arm aus und stützte sich mit der flachen Hand am Körper des Mannes ab. Mit einer schnellen Bewegung stand sie auf.
Ignatius ging zurück. Er konnte nichts anderes tun, als Alissa zu beobachten. Sie hatte anscheinend einen Befehl ihres Vaters erhalten.
Alissa sah Suko, Shao und schließlich auch Ignatius an. Es war kein Blick der Freude, und sie ging weiter, wobei sie den Mönch einfach zur Seite schob.
»Willst du gehen?«
»Ja.«
»Wohin?«
»Er ist da. Er hat es mir gesagt. Er will, daß ich zu ihm komme. Ich werde mich nicht weigern, denn nun weiß ich endlich, wohin ich gehöre.«
Sehr plötzlich hatte sich die Lage
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