1136 - Das Blut der Bernadette
Ihre Haltung war angespannt. Sollte sich jemand zeigen, würde sie sofort reagieren können.
Ich blieb hinter ihr. Allmählich verlor auch ich meine Ruhe. Jane hatte mich angesteckt. Hinter der Normalität konnte sich etwas Furchtbares verstecken.
In der ersten Etage blieben wir stehen. Eine einsame Fliege hatte die kalte Zeit bisher überstanden und summte an unseren Gesichtern entlang. Es war hell genug, um in den Gang schauen zu können, der so lang wie die Küche war. Sein Mauerwerk war durch einige Türen unterbrochen worden.
Eine war nicht geschlossen. Da sie an unserer Seite lag und sie auch nach außen geöffnet wurde, konnten wir nicht in das Zimmer hineinschauen. Wir bewegten uns an der Tür vorbei, drehten uns dann - und warfen einen ersten Blick in das Zimmer.
Das Bett konnten wir einfach nicht übersehen. Es stand der Tür direkt gegenüber. Ein Doppelbett mit hohen Kissen und Oberbetten. Am Kopfende hing ein Kreuz an der Wand.
Und das war auf den Kopf gestellt worden!
Nicht nur mir war es aufgefallen, auch Jane Collins hatte es gesehen, und sie zischte einen Kommentar durch die Zähne. Ich verstand kein Wort, aber mir war verdammt kalt geworden. Ich dachte auch daran, daß Jane mit ihren Befürchtungen recht behalten hatte.
Die Oberbetten waren so hoch, daß wir zunächst nicht erkannten, ob jemand im Bett lag. Dazu brauchten wir zwei Schritte. Über die beiden Oberbetten hinweg schauten wir auf die Kopfkissen, wo sich die beiden Gesichter abmalten.
Im Bett lagen eine Frau und ein Mann!
Wir waren an die linke Seite herangetreten, standen aber noch nahe des Fußendes.
»Kennst du sie?«
»Und ob. Das sind der Bauer und seine Frau.«
»Die im Bett liegen und schlafen.«
Jane schüttelte den Kopf und gab ein kratziges Lachen von sich. »Nein, John, sie schlafen nicht. Ich rieche den Tod«, flüsterte sie und bekam eine Gänsehaut. »Sie liegen hier wie Leichen, die man aufgebahrt hat. Verflucht, ich…«
Ich konnte Janes Zustand verstehen. Sehr sanft schob ich sie zur Seite und ging auf das Kopfende zu.
»Hast du das Kreuz gesehen, John?«
»Habe ich.«
»Dann weißt du ja Bescheid.«
An der linken Wandseite befanden sich die Fenster. Von dort aus fiel auch das Licht in das Schlafzimmer, so daß wir alles recht gut erkennen konnten.
Ich blieb dort stehen, wo sich das Gesicht des Mannes abmalte. Nur eben der Kopf. Ich sah weder einen Hals noch die Schultern. Die Decke war bis zum Kinn hochgezogen.
Und ich hörte keine Atemzüge!
Es war jetzt sehr still geworden. Bei unserem Eintreten hatten Jane und ich noch Geräusche verursacht, in diesen langen Augenblicken aber hielten wir den Atem an.
Der Mann war ungefähr fünfzig Jahre alt. Er hielt die Augen geschlossen. Der Mund stand leicht offen, und die Gesichtshaut sah wächsern aus.
Ich warf einen Blick zurück auf Jane, die wie eine Statue neben dem Bett stand. Nach einem kurzen Nicken hob ich das Oberbett an der Seite an.
Dann sah ich das Blut. Es hatte sich ausgebreitet und in das Bettuch eingesaugt. Sekunden später war ich kreideweiß. Hinter mir hörte ich Janes Aufschrei. Man hatte den Mann auf schreckliche Art und Weise umgebracht. Vielleicht mit einem Messer oder einem ähnlich spitzen Gegenstand, jedenfalls sah sein Brustkorb schlimm aus.
Ich sprach kein Wort, als ich wenig später um das Bett herum ging und bei der Frau nachschaute.
Ihr Haar war grau, doch ihr Gesicht zeigte noch junge Züge.
Auch sie lebte nicht mehr. Man hatte sie auf die gleiche Art und Weise getötet wie ihren Mann.
Jane Collins schaute nicht hin. Sie stand am Fußende des Betts und betrachtete die Wand gegenüber, an der das Kreuz verkehrt herum aufgehängt worden war.
Man hatte den Mann und die Frau getötet. Man hatte sie in das Bett gelegt oder gezwungen, sich hinein zu legen, und sie erst dann umgebracht. Das sah wie geplant aus. Nicht nur das. Mich erinnerten die Morde an ein Ritual - ja, dieser Tod der beiden Menschen war ritualisiert worden, und zudem hatte man das Kreuz an der Wand gekippt. Ein Anzeichen darauf, daß Satan hier das Sagen hatte.
Ich wünschte mir jetzt einen kräftigen Schluck Whisky. Ich wünschte mich auch weit fort, aber ich wußte, daß dies nicht möglich war. Hier waren wir gefordert und konnten vor dem Grauen nicht weglaufen.
Als ich in Janes Nähe kam, ließ sie sich gegen mich fallen. »Ich habe es gewußt«, flüsterte sie.
»Verdammt noch mal, ich habe es geahnt. Das konnte einfach nicht glattgehen. Es war zu
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