1136 - Das Blut der Bernadette
schrecklich. Es hat sich alles angekündigt. Ich… verdammt, John, wer tut das? Wer hat es getan? Was steckt dahinter? Zuerst Rita und jetzt die beiden.«
»Wir finden es heraus, Jane. Wir packen es. Das schwöre ich dir.«
Sie drückte sich von mir weg. Mit wenigen Schritten hatte sie das Kopfende erreicht, faßte nach dem Kreuz und hängte es wieder normal hin. »Ich kann es nicht sehen, John. Ich kann es einfach nicht…«
»Schon gut. Laß uns gehen.«
»Schöne Worte. Das sagt man fast immer. Sie gehören zum Standard-Repertoire. Aber wohin willst du gehen? Was sollen wir tun? Wo können wir ansetzen?«
»Im Heim.«
»Wäre eine Möglichkeit. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, daß die Oberin und die Schwestern dort etwas mit diesem Grauen hier zu tun haben.«
»Siehst du eine andere. Möglichkeit?«
»Nein.«
»Außerdem muß ich meine Kollegen alarmieren. Wir können sie jetzt nicht mehr aus dem Spiel lassen.«
»Verstehe. Aber es wird uns nichts bringen. Ich weiß auch, daß es noch nicht beendet ist, John.«
Jane sprach monoton. »Das hier ist erst der Anfang. Etwas ist geschehen, damit die Dinge eskalieren konnten, aber ich weiß nicht, was. Ich spüre nur mit allen Fasern meines Körpers, daß wir immer stärker in die Klemme geraten. Hier wollte jemand Spuren verwischen, aus welchen Gründen auch immer. Ich kann mir vorstellen, daß wir jetzt die neuen Spuren sind. Und es gibt jemand, der auf den Teufel fixiert ist.«
Ich stimmte ihr zu, doch die Theorie brachte uns nicht weiter. Obwohl wir erst am Beginn des Falls standen, konnte ich mir vorstellen, daß dieses Heim oder Kloster eine wichtige Rolle spielte. Davon ließ ich mich nicht abbringen.
Als wir im Flur standen, lehnte sich Jane für einen Moment an mich. »Ich habe immer gedacht, eine starke Person zu sein. Aber wenn man so etwas sieht, dann bekommt man schon seine Grenzen aufgezeigt. Da merkt man, daß man auch nur ein Mensch ist.«
»Sicher.«
»Warum gibt es denn so viele Grausamkeiten in dieser Welt, John? Warum nur?«
»Weil es Menschen gibt, Jane.«
»Ja, Menschen. Sie sind die schlimmsten. Tiere sind im Gegensatz zu ihnen harmlos. Der Mensch war schon immer die Bestie, und er wird sie auch immer blieben. Denn er ist manipulierbar. Er ist leicht für das Böse erreichbar. Es gibt Mächte, die sein Gewissen ausschalten. Das habe ich damals am eigenen Leib erleben müssen, als ich mich so lange auf dem Irrweg befand. Aber wir können es nicht ändern. Wir müssen nur versuchen, es abzuschwächen.« Sie stieß sich von mir ab und schüttelte den Kopf, als wollte sie die schlimmen Gedanken endgültig vertreiben. Danach putzte sie ihre Nase.
Dieses Haus war zu einem Ort des Todes und des Grauen geworden. Ich stellte mir die Frage, ob die beiden Besitzer jeweils mit den anderen Mächten Kontakt gehabt und ihnen ihr Haus zur Verfügung gestellt hatten. Wenn ja, dann sicherlich nicht freiwillig. Sonst hätte nicht das Kreuz verkehrt herum gehangen.
An der Treppe wartete ich auf Jane, die langsamer nachkam. Sie hielt den Kopf gesenkt und war noch immer mit den eigenen schweren Gedanken beschäftigt. Auch mir wollte das schreckliche Bild nicht aus dem Kopf, und ich versuchte, es zurückzudrängen. Wer hatte die beiden auf so schreckliche Art und Weise getötet?
Wirklich jemand aus dem Heim?
Jane unterbrach meine Gedanken mit einer Frage. »Willst du der Oberin wirklich die ganze Wahrheit sagen, wenn wir sie sprechen?«
»Nein. Zumindest nicht sofort. Wir warten, wie das Gespräch verlaufen wird und ob sie sich kooperativ zeigt.«
»Bernadette hat nur das Wohl ihres Hauses im Auge. So viel habe ich erfahren können. Sie ist irgendwie besessen davon. Es ist die Aufgabe ihres Lebens.«
»Wie alt ist sie ungefähr?«
»Mittelalter, würde ich sagen. Zwischen Vierzig und Fünfzig. Sie ist eine durchaus interessante Frau mit Augen, die tief bis in deine Seele blicken können. Jedenfalls habe ich den Eindruck bekommen. Egal, du wirst sie ja kennenlernen.«
Zeit genug war. Wir hatten erst Nachmittag. In rund zwei Stunden würde die Dämmerung hereinbrechen. Schon jetzt ahnte ich, daß dieser Fall noch mit einigen bösen Überraschungen aufwarten würde.
Diesmal ging ich als erster die Treppe hinab. Wir bewegten uns beide in einem Trauer- oder Totenhaus und verhielten uns auch dementsprechend. Unsere Schritte waren kaum zu hören. Irgendwie wollte keiner von uns die Stille stören.
Beide blieben wir stehen. Zuerst ich, dann
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