1137 - Madame Tarock
Seite hatte er das Einschussloch genau gesehen. Das war alles völlig normal gewesen.
»Du wirst sterben, Killer!« rief sie. »Du wirst durch die Kugeln sterben, von denen du eine auch mir zugedacht hast. Ich werde dich durch das Blei zerschmettern…«
Ralf Rosner glaubte, im falschen Film zu sein. Er musste nur einen Schritt zur Seite treten, dann hatte ihn die Wirklichkeit wieder, doch das traute er sich nicht.
Rosner blieb stehen, weil er wusste, dass eine falsche Bewegung ihm schon jetzt den Tod bringen würde. Er versuchte es mit Worten. »Du bist wirklich super. Wie wäre es, wenn wir beide uns zusammentun? Wir würden ein cooles Team abgeben und könnten nebenbei auch noch viel Geld machen.«
Die Frau ging darauf nicht ein. Sie höhnte nur: »Lässt dich die Todesangst so reden, Mörder?«
»Nein, die Vernunft.«
»Die kann ich bei dir nicht erkennen. Ich weiß, dass man dich engagiert hat, um mich zu killen, weil ich angeblich einem gewissen Herrn etwas Falsches über seine Zukunft gesagt habe. Aber es war nicht falsch. Es wird ihn treffen. Noch vor Weihnachten. Da bin ich mir hundertprozentig sicher.«
Auch Harry hatte die Worte gehört. Es ging ihm selbst nicht gut, noch immer rumorte es in seinem Innern, und die Übelkeit war kaum auszuhalten, aber er wusste jetzt mehr. Die Tote, die nicht mehr tot war, arbeitete als Wahrsagerin. Wer sie bezahlte, schien ihr auch zu vertrauen, sonst hätte der Auftraggeber des Killers nicht so drastisch und brutal reagiert.
»Das ist mir egal, ob er stirbt. Ich habe nur meinen Job getan, verstehst du?«
»Du hast ihn schlecht gemacht!«
Rosner konnte nicht reden. Er wusste ja, dass diese Person recht hatte. Er hatte den Job schlecht gemacht, aber nicht schlechter als sonst. Es war der Treffer gewesen. Daran gab es nichts zu rütteln.
Eine Kugel ins Herz. Aber jetzt stand die Tote da und hatte den Spieß umgedreht. Sie handelte zudem wie ein Profi. Nichts brachte sie aus der Ruhe. Das Gewehr in ihrer Hand zitterte nicht einmal, und- die Mündung war direkt auf Rosner gerichtet.
Er suchte nach Worten, um die Person zu überzeugen. Nie wäre ihm in den Sinn gekommen, ein derartiges Ende erleben zu müssen, und die Gedanken jagten durch seinen Kopf. Immer auf der verzweifelten Suche nach einem Ausweg.
Das merkte auch der am Boden liegende Harry Stahl. »Du hast keine Chance mehr, Rosner - keine!«
»Halt dein Maul!«
»Ich wollte dir nur die Wahrheit vor Augen führen. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Spar dir den Scheiß!« Rosner hatte die Worte hervorgepresst. Die Lage ging ihm an die Nieren.
»Du hast lange genug gelebt. Es ist vorbei!«
Das wusste auch der Killer. Er schrie auf. Er warf sich zur Seite. Er riss die Waffe hoch, er wollte feuern, aber er hörte schon während der Bewegung den Klang, für den bisher er immer gesorgt hatte.
Die Frau hatte früher geschossen.
Rosner erlebte den Einschlag der Kugel, bevor er abdrücken konnte. Sie erwischte ihn in der rechten Brusthälfte. Ein harter Schlag, der ihn wuchtig zu Boden schleuderte. Er dachte nicht darüber nach, er wollte sich wehren und die Frau töten. Deshalb kam er mit einer schon wahnsinnigen Kraftanstrengung wieder hoch. Auf die Beine konnte er sich nicht stellen, deshalb musste er in der knienden Haltung bleiben.
Er wusste, dass in seinem Körper irgend etwas Schreckliches ablief. Trotzdem kämpfte er dagegen an. Besonders gegen die Schwäche. Mühsam hob er beide Hände. Die Pistole hielt er fest, und dann sah er über die Waffe hinweg.
Die Wahrsagerin machte sich auf den Weg.
Sie ging locker, das Gewehr im Anschlag, den Lauf leicht gesenkt, so dass die Mündung auf Rosner zielte.
Er brüllte seinen Frust und seinen Schmerz hinaus, aber er schoss nicht mehr.
Eine zweite Kugel war schneller. Rosner hörte nicht einmal den Knall. Etwas erwischte ihn mit ungeheurer Wucht an der Stirn und zerschmetterte seinen Kopf.
Er schaffte es nicht mehr, auf den Knien zu bleiben. Die Gewalt fegte ihn zur Seite wie ein Stück Holz im Wind. Er landete zuerst auf der Seite, dann trieb ihn die Wucht herum, so dass er auf dem Rücken liegenblieb.
Rosner war tot. Die zweite Kugel hatte ein Loch in die Stirn gerissen, dahinter einen Kanal hinterlassen und war an der Rückseite wieder hervorgetreten.
Auf einmal war es still, sehr still…
***
Harry Stahl wusste nicht, was er denken oder fühlen sollte. Eines stand fest. Er war gerettet. Zumindest vorläufig. Es gab den Killer Ralf Rosner nicht
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