1137 - Madame Tarock
ich hätten uns noch ein paar schöne Tage gemacht, doch dann erwischte mich die verdammte Grippe. Deshalb meine Bitte an dich, John. Morgen ist Samstag. Da hast du frei. Du kannst auf meine Kosten nach Berlin fliegen und dich mit Madame Tarock treffen. Du stellst ihr die Fragen, schreibst dir die Antworten auf oder lässt sie dir auf Band sprechen, fliegst wieder zurück, und ich arbeite das Interview dann aus.«
»Aha. So hast du dir das gedacht.«
»Ja. Nicht schlecht - oder?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Das kommt etwas überraschend für mich, Bill. Ich müsste also morgen früh los.«
»Klar. Ich habe sicherheitshalber schon mal ein Ticket bestellt. Es liegt am Schalter von British Airways für dich bereit. Ist also kein Problem. Du brauchst nur noch zuzustimmen. Aber sag nicht, dass du morgen volles Programm hast. Die Ausrede glaube ich dir nicht. Vor allen Dingen nicht bei diesem Wetter.«
»Habe ich nicht.«
»Klasse. Wenn du willst, kannst du noch jemand mitnehmen. Ein Hotelzimmer habe ich auch schon besorgt.«
Er grinste. »Sogar ein Doppelzimmer, falls du dich für eine weibliche Person als Begleitung entscheidest.«
»An wen hast du denn da gedacht?«
»Glenda oder Jane…«
»Die werden sich bedanken, nach Berlin zu fliegen, um sich in den vorweihnachtlichen Trubel zu stürzen.«
»Wie ist das mit dir?«
Ich stöhnte auf. »Willst du die Antwort gleich jetzt haben oder später?«
»Am liebsten wäre es mir sofort.« Ich strich über mein Gesicht. »Kann ich Bedenkzeit haben?«
»Wie lange?«
»Ich gebe dir heute Abend Bescheid.«
»Ungern, John.«
»Trotzdem, das muss ich mir durch den Kopf gehen lassen.«
Bill wollte es nicht akzeptieren und schüttelte den Kopf. »John, du weißt nicht, was du verpasst. Diese Frau ist einmalig und außergewöhnlich. Das habe ich erfahren. Sie muss wirklich eine Aura um sich haben, die man nur äußerst selten findet. Das habe ich von Leuten gehört, die mit ihr gesprochen haben.«
»Und sie ist eine Wahrsagerin?«
»Ja, und was für eine. Sie wird von den Größen der Politik und Wirtschaft gehört, hat man mir zumindest gesagt. Dabei ist sie trotzdem geheimnisvoll geblieben…«
»Hat sie auch Erfolge zu verzeichnen?« fragte ich.
Bill pustete seinen Atem stöhnend aus. »Muss sie wohl, wenn man über sie spricht.«
»Was weißt du denn konkret?«
»Nichts.«
»Aha.«
»Hör auf damit.« Er richtete sich etwas auf. Die Decke rutschte herab, und ein kühler Schauer rann über seinen Körper. »Wie ich erfahren habe, redet man nicht gern über ihre Erfolge, John. Die Leute, die zu ihr gehen, gehören zu denjenigen, die nicht gern ins Licht der Öffentlichkeit treten. Aber trotzdem hat sich ihre Klasse herumgesprochen. Ich habe eine Telefonnummer für dich. Da kannst du dich mit ihr in Verbindung setzen.«
»Toll, wie du für mich vorgesorgt hast.«
»Das war für mich.«
»Okay«, sagte ich stöhnend. »Gib schon her.«
»Der Zettel liegt auf dem Schreibtisch«, sagte Bill mit leiser Stimme. Sie sackte ihm so weg. Für mich ein Zeichen, dass ihn die Unterhaltung angestrengt hatte. Wenn Bill so reagierte, musste es ihn schwer erwischt haben. Er hielt auch die Augen geschlossen, und auf der Stirn sah ich den Schweiß.
Es war am besten, wenn ich mich verdrückte.
»Du hörst von mir«, sagte ich leise.
Bill gab keine Antwort. Er lächelte nur. Ein Beweis, dass er mich verstanden hatte.
Vom Schreibtisch nahm ich noch den Zettel mit der Telefonnummer und verließ auf leisen Sohlen das Arbeitszimmer.
Sheila traf ich in der Küche. Sie war dabei, neuen Tee aufzubrühen und wollte Bill auch kalte Wadenwickel machen, weil sie der Meinung war, dass die alten Hausrezepte noch immer am besten griffen.
Ich lehnte mich innen an den Türrahmen und sagte: »Ihn hat es schwer erwischt.«
»Das ist richtig.«
»Dabei wolltet ihr nach Berlin.«
Sheila winkte ab. »Das war seine Idee. Ich wäre auch gern mitgeflogen. Nur dass er unbedingt diese komische Wahrsagerin besuchen wollte, hat mir nicht gepasst. Aber ich hätte es in Kauf genommen, denn ich war davon ja nicht berührt.«
»Kennst du diese Madame Tarock?«
»Nein, John. Überhaupt nicht. Ich weiß nicht, welche Person sich dahinter verbirgt.« Sie hob die Schultern und kippte den Grippetee in eine dicke Tasse. »Es ist wie immer, wenn sich ein Jahr dem Ende zuneigt. Da tummeln sich alle möglichen Hellseher und Wahrsager herum. Nur ist es in diesem Fall noch eine Idee schlimmer. Alle
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