1137 - Madame Tarock
Außerdem hat er da sein Telefon.«
»Sehr gut:«
»Du müsstest ihn mal hören. Bill kann kaum sprechen. Da sitzt im Hals einiges zu. Aber nein. Nur die Harten kommen in den Garten. Trifft bei ihm voll zu.«
Die Flasche nahm ich mit. Sheila warf einen schrägen Blick darauf und meinte: »Hustensaft wäre besser.«
»Gönn ihm doch auch mal was.«
»Tue ich ja.«
Die Tür zu Bills Arbeitszimmer stand offen. Weicher Lichtschein fiel über die Schwelle. Ich hörte Bills Stimme und glaubte nicht, dass er mit sich selbst sprach. Also war er dabei zu telefonieren, aber seine Stimme klang, als hätte er mehrere Reißnägel verschluckt, die auf halbem Weg in seiner Kehle hängengeblieben waren. Mit wem er telefonierte, wurde mir nicht klar. Es war auch kam etwas zu verstehen, aber sein Bett stand so, dass er die Tür im Auge behalten konnte. Er sah mich, winkte matt und verabschiedete sich gleichzeitig von seinem Gesprächspartner.
Ich passierte Bills Schreibtisch und nahm auf dem Weg zum Bett noch einen Stuhl mit. Bill hatte das Handy auf seine Brust gelegt und versuchte zu grinsen, als ich mich gesetzt hatte.
»Wo sind denn die Blumen?« fragte er.
Ich hielt die Flasche hoch. »Hier.«
»Super.«
»Aber nicht jetzt.«
»Meine ich auch«, sagte Sheila und nahm sie mir weg. Sie stellte das Geschenk auf den Schreibtisch und nahm eine Tasse vom Tablett, in der sich eine heiße Flüssigkeit befand. Der Dampf schwebte über den Rand der Tasse hinweg. Das Material war so dick, dass es trotz der Hitze angefasst werden konnte.
»Es ist Zeit für deinen Tee.«
»Gern, liebe Sheila!« krächzte Bill. »Du glaubst gar nicht, wie ich mich darauf gefreut habe.« Er pustete in die Tasse, trank einen kleinen Schluck, hustete, begann zu fluchen, als etwas von der gelbgrünen Flüssigkeit überschwappte und hätte das Gefäß am liebsten quer durch das Zimmer geschleudert.
Aber Sheila blieb bei uns. Unter ihrem strengen Blick schlürfte er das Zeug, das bei Bill für Hitzewellen sorgte. Zumindest lief die Gesichtshaut rot an, und er begann zu schwitzen.
»Weißt du, wie dieses Zeug schmeckt, John?«
»Nein.«
»Wie ein Laternenpfahl ganz unten.« Er verzog säuerlich das Gesicht.
»Sorry, aber so tief habe ich noch nicht gerochen. Da hast du mir was voraus.«
»Ich habe es mir auch nur sagen lassen.«
»Das ist was anderes.«
Bill war gehorsam und leerte die Tasse fast bis zum Grund. Danach drückte er sie Sheila in die Hand, die damit verschwand. Zurück blieben Bill und ich.
»Hol dir was zu trinken, John«, flüsterte er und ließ sich wieder zurücksinken.
»Mal sehen. Du hast noch Fieber.«
»Ja, Scheiße«, fluchte er. »Ich habe noch Fieber. Ich fühle mich, als hätte man mich durch drei Mangeln zugleich gedreht. Es ist wirklich zum Kotzen.«
»Mach dir nichts draus.«
»Das sagst du in deinem jugendlichen Leichtsinn. Der Mist hat mich wirklich umgehauen. Dabei hätte ich gar nicht hier in London sein sollen. Ich wollte mit Sheila nach Deutschland.«
»Weihnachtsmärkte besuchen?«
»Nein, auch wenn das neuerdings in ist. Selbst von London aus. Es gibt oder gab einen anderen Grund.«
»Welchen?«
Bill drehte sich von mir weg und hustete. Nach dem kurzen Anfall konnte er wieder reden, auch wenn seine Stimme recht heiser klang. »Es geht um eine Frau, die ich gern kennenlernen wollte. Von Kollegen habe ich über sie einiges erfahren, und wenn das alles stimmt, dann ist das schon ein Hammer.«
»Werde mal deutlicher.«
»Ich hole etwas aus. In ein paar Wochen schreiben wir das neue Jahrtausend. Jeder redet nur darüber, viele schreiben davon. Alle möglichen Zeitschriften und Magazine. Jeder will einen tollen Bericht haben, und die Themen sind vielfältig. Ich wollte mich mit einer Wahrsagerin beschäftigen.«
»Ach.«
Er schaute mich fast böse an. »Klar, ich weiß, was du denkst. Jetzt spinnt der Conolly. Aber diese Wahrsagerin ist eben eine besondere Person.«
»Wie das?«
»Kann ich dir auch nicht sagen. Sie ist eine Spezialistin für Tarock. Verstehst du?«
»Nicht direkt.«
»Sie nennt sich Madame Tarock. Oder wird so genannt. Ihr richtiger Name lautet Zingara. Hört sich nach einer Abstammung des fahrenden Volkes an. Egal, ich wollte sie interviewen. Sie lebt in Berlin, und wir haben sogar einen Treffpunkt vereinbart. Leider musste ich absagen.«
»Wann hättest du sie denn treffen sollen?«
»Morgen.«
»Und du wärst jetzt schon in Berlin gewesen?«
»Ja«, sagte er, »Sheila und
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