1137 - Madame Tarock
etwas anderes sein. Ich rechne fest damit, dass sie eine Person ist, die die Hölle nicht mehr haben wollte. Die aus der Verdammnis zurück in unsere Welt gekommen ist. So weit denken wir, und es ist für uns auch nicht spektakulär. Könnte ich durch diese Vermutung der Wahrheit näher gekommen sein?«
Seine relative Freundlichkeit war verschwunden. Otto E. wollte nicht mehr mit uns reden. »Geht jetzt«, sagte er. »Geht aus meinem Leben fort. Vergesst alles, es ist besser für euch. Ich glaube nicht, dass es einen Menschen gibt, der stärker ist als sie. Es gibt nur eine Siegerin, das ist sie. Ihr habt es gesehen. Sie hat das Feuer der Hölle mitgebracht. Hütet euch vor ihm, hütet euch…«
»Keine Sorge, darauf werden wir schon achtgeben«, sagte ich und nickte Harry Stahl zu.
Es brachte wirklich nichts, wenn wir uns noch länger bei Otto E. aufhielten. Warum er uns alles so genau gezeigt hatte, blieb uns ein Rätsel. Vielleicht hatte er uns wirklich warnen wollen, und letztendlich war es auch gut gewesen.
Er selbst ging nicht mehr an Deck und blieb in seinem Atelier.
Auf dem Boden lag noch immer der verbrannte Körper des Gangsters. Er war einer gewesen, der sein Schicksal nicht hatte akzeptieren wollen. Er hatte den Karten misstraut. Leute wie er fühlten sich oft als kleine Herrscher.
Die Quittung hatte er bekommen.
Harry Stahl hatte sein Handy hervorgeholt, aber die Nummer noch nicht eingetippt. »Wir werden nach dem Anruf verschwinden, John. Ich gebe nur alle Daten bekannt, danach werde ich mich noch mit meiner Zentrale in Verbindung setzen.«
»Hast du deine Chefs eingeweiht?«
»Nicht direkt. Aber das hole ich nach. Auf dem Rückweg kannst du das Steuer übernehmen.«
»Mach ich.«
Während Harry telefonierte, blieb ich am Ufer des Kanals stehen und schaute auf das grünschwarze Wasser. Die beiden Bodyguards waren verschwunden. Was die Nachricht von Victors Tod für die Berliner Unterwelt bedeutete, konnte ich mir vorstellen. Aber es würde mich nicht interessieren.
Harry und ich mußten uns um andere Dinge kümmern. Ich war überzeugt, dass wir mit Madame Tarock noch Stress genug bekamen, wenn sie tatsächlich eine Verdammte war, die den Weg aus der Hölle zurückgefunden hatte.
Harry Stahl hatte seine Meldung rasch durchgegeben. Er klappte sein Handy zusammen und nickte mir zu.
»Wir können.«
Als ich den Zündschlüssel auffing, fragte ich: »Wohin genau?«
»Berlin-Mitte. Ihre Wohnung liegt nicht einmal weit von deinem Hotel entfernt.«
»Sehr gut.«
Wir stiegen ein. Ich wollte nicht wissen, was er den Beamten mitgeteilt hatte, aber ich erkundigte mich nach Dagmar Hansen, seiner Partnerin, die zugleich Psychonautin war.
»Ihr geht es gut.«
»Das freut mich.«
»Davon kannst du dich bald selbst überzeugen.«
»Kommt sie nach Berlin?«
»Ich nehme an, dass sie schon eingetroffen ist.«
»Hast du sie eingeweiht?«
Harry legte den Kopf zurück und lachte. »Darauf kannst du dich verlassen. Dagmar hat sich reingehängt und herausgefunden, dass Madame Tarock in dieser riesigen Stadt nicht unbedingt allein steht. Ich weiß nicht, wie Dagmar es geschafft hat, aber sie sagte mir, dass es Menschen gibt, die voll auf sie abfahren.«
»Weiß sie mehr über diese Personen?«
»Ich habe sie lange nicht mehr gesprochen. Sie wird gegen Abend eintreffen. Dann hoffe ich, dass wir mehr von ihr erfahren.« Er schüttelte den Kopf. »Mir geht dieses verdammte Bild nicht mehr aus dem Sinn, John. Ich sehe die Menschen mit den auf den Rücken gedrehten Gesichtern in Richtung Hölle gehen.« Er erschauerte. »Das Motiv allein ist furchtbar. Aber ich denke noch einen Schritt weiter.«
»Was meinst du?«
»Kannst du dir vorstellen, dass Zingara nicht die einzige ist, die ihren Kopf, auf den Rücken drehen kann?«
»Denkst du das wirklich?«
»Ja.«
»Dann würde ich an deiner Stelle beten, dass dies nicht zutrifft, Harry.«
Er lachte nicht eben freundlich. »Was bringt es? Wenn sie in der Hölle oder wo auch immer war, können wir davon ausgehen, dass das auch mit anderen passiert ist. Und ich frage mich auch, ob sie wieder in die Hölle zurückgehen kann. Weißt du, John, wie jemand, der zwischen der Welt und der ewigen Verdammnis pendelt.«
»Tolle Theorie.«
»Ist sie auch falsch?«
Diesmal lachte ich. »Du übertriffst mich mit deiner Phantasie bei weitem.«
»Ich bezweifle, dass es dabei bleibt.«
Ich hatte diesem Thema nichts mehr hinzuzufügen. Vor uns lag die große Stadt
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