1150 - Die Dunklen Apostel
Blick stellte ich fest, dass es der abgerissene Arm des Dunklen Apostels war. Die Zombies hatten den Körper wirklich zerrissen. Das taten sie mit allem, was ihnen im Weg stand.
Jetzt war ich es.
Die Gestalt vor mir setzte den rechten Fuß auf den dünnen, feuchten Ufersand. Sie war nackt bis auf eine dreiviertellange Hose, die mit Tang und Pflanzenresten aus der Tiefe des Gewässers beklebt war.
Er glotzte mich an. Er spürte meine Wärme. Er wusste, dass hier ein Mensch vor ihm stand - und zugleich ein Opfer!
Ein erster und letzter Blick in seine Augen.
Nein, da gab es kein Leben mehr. Sie waren tot, sie waren völlig leer. Diese Gestalt war nur eine menschliche Hülle, die jetzt ihren rechten Arm anhob, um nach mir zu greifen. Die Finger waren gespreizt, sie bewegten sich wie schwere, dicke Würmer, und ich sah die Klaue mit der bleichgrünen Hand vor meinem Gesicht auftauchen.
Zugreifen konnte sie nicht, da war ich schneller, denn ich hatte gedankenschnell meine Hand mit dem Kreuz in die Höhe gerissen. Die Klaue fasste nicht in mein Gesicht hinein, sondern gegen das aus der Faust ragende Kreuz.
Was nun eintrat, passierte alles innerhalb von Sekunden. Mir als Zuschauer kam die Zeit doppelt so lang vor, denn ich erlebte alles intensiv mit.
Die Hand umklammerte das Kreuz in der oberen Hälfte. Für einen Moment nur blieben die Finger still. Dann durchzuckte sie eine mächtige Kraft, als wären sie von einem gewaltigen Stromstoß erwischt worden. Die Hand zuckte vom Kreuz weg und wurde in die Höhe geschleudert. Sie pendelte, sie schlenkerte, und sie blieb nicht mehr so wie sie war, denn über sie und den Arm hinweg strömte das Licht wie Feuer. Möglicherweise war es auch ein kaltes Feuer, dem der Zombie nichts entgegensetzen konnte. Er riss den Arm hoch, er schwankte zurück, und blitzschnell breitete sich die gesamte Kraft über seinen Körper hinweg aus.
Es gab nach wenigen Sekunden keine Stelle mehr, die nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde. Er verbrannte und trocknete zugleich vor meinen Augen aus. Der Körper verdorrte regelrecht. Auch sein Gesicht wurde nicht verschont. Dort zog sich die Haut zusammen, während sie zugleich eine dunkelgraue und dann später eine schwarze Farbe annahm. Man hätte sie wie eine Pelle von der Wurst abziehen können.
Die leblose Gestalt fiel rücklings nach hinten und blieb wie ein angeschwemmtes Strandgut liegen, noch umleckt von den letzten, auslaufenden Wellen.
Was mir recht lang vorgekommen war, hatte ich in kurzer Zeit geschafft. Da war es mir nicht möglich gewesen, mich auf die anderen Untoten zu konzentrieren, die hatten fast alle das Wasser verlassen und bewegten sich über den schmalen Strand hinweg.
Zwei hatten aus dem Schicksal ihres Artgenossen nichts gelernt und kamen auf mich zu.
Eine davon war eine Frau. Kleiner als ich. Mit einem runden Kopf und verfilzten nassen Haaren. Sie trug nichts am Körper, der vom langen Liegen im Wasser gezeichnet war.
Ich war versucht, die Waffe zu ziehen und ihr eine Kugel in den Kopf zu schießen, aber Karinas Ruf hielt mich zurück.
»John! Komm endlich zu uns!«
Ich ging zurück.
Die untote Frau, die nach mir hatte greifen wollen, fasste ins Leere. Sie schaffte es auch nicht, ihren eigenen Schwung auszugleichen, stolperte und landete bäuchlings vor meinen Füßen.
»John, bitte!«
Ich ließ die Untote liegen, die mir über den feuchten Uferboden nachkroch, drehte mich um und lief den Weg zurück, den wir gekommen waren.
Karina und Dimitri erwarteten mich nahe der Kirche. Zombies hatten sie nicht erreicht. Wenn sie allerdings noch einige Minuten dort stehen blieben, würden sich die Untoten über sie stürzen. Sie hielten die Insel jetzt besetzt, und für uns würde es verdammt schwer werden, ein Versteck zu finden.
Eigentlich gab es nur die Möglichkeit der Flucht mit dem Boot. Das aber wollte ich auch nicht. Bisher hatte ich vor den Kreaturen der Hölle noch nicht kapituliert, und das sollte auch so bleiben.
»Du bist wahnsinnig!«, fuhr mich Karina an.
»Warum?«
»Du bist so nahe an sie herangekommen oder hast sie selbst so nahe herankommen lassen, die… die… hätten dich zerfetzen können. Einfach zerreißen…«
»Schon gut.«
»Hast du sie gezählt?«
»Dazu war die Zeit zu knapp.«
Karina deutete nach vorn. »Ich habe es auch nicht geschafft. Aber es sind viele, zu viele, John. Wir sollten uns etwas einfallen lassen.«
»Richtig. Wie ich dich einschätze, hast du dir bereits Gedanken
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