1150 - Die Dunklen Apostel
sie sich nicht entscheiden, welche der Gestalten sie zuerst vernichten sollte.
»Nicht!«, befahl ich ihr. »Das hat jetzt keinen Sinn. Spar dir die Munition für später!«
»Verdammt, John, sie werden die Insel besetzen!«
»Ja, das haben sie schon einmal getan.«
Sie starrte mich an. »Wieso?«
»Da wollten sie mich.«
»Verstehe. Und jetzt kommt der nächste Schwung. Vielleicht sogar der letzte.«
»Wir wollen es hoffen.«
»Rückzug?«
Ich nickte.
»Das passt mir nicht, ich habe…«
»Reine Taktik, Karina, komm.«
Ich wusste nicht, wie viele dieser lebenden Leichen der See noch entließ, und ich wollte jetzt keine Kugeln vergeuden. Ich spekulierte darauf, dass es wieder bessere Zeiten für uns gab.
Dimitri tat nichts. Er stand am Ufer wie ein Mahnmal. Die Waffe in seinen Händen war nach unten gesunken, und nichts in seinem Gesicht zeigte eine Spur von Regung.
Karina, die einige Schritte auf die Inselmitte zugelaufen war, blieb wieder stehen. »Willst du ihn allein lassen, John?«
»Nein, nimm ihn mit. Rede mit ihm. Wir müssen bei ihm bleiben. Möglicherweise kann er uns auch helfen. Lauft schon weiter, aber wartet später auf mich.«
»Und du?«
»Keine Sorge, ich komme nach.«
Sie tat, was ich von ihr verlangt hatte. Sie redete recht laut mit Dimitri, und sie schaffte es, ihn zu überzeugen, wie ich mit einem schnellen Blick feststellte.
Ich blieb am Ufer zurück und kam mir dabei vor wie jemand, der alle Last der Welt auf sich genommen hatte…
***
Trotz des Grauens war es ein Bild nicht ohne Reiz. Ich sah es wie ein breites und auch gewaltiges Gemälde vor mir. Da lag der See mit seinem leichten Wellengang, da schwebte über ihm der Himmel mit den flachen Wolken und der ungewöhnlichen Lichtfärbung, die nichts verschwommen aussehen ließ, sondern schon ungewöhnlich klar, sodass ich jede Einzelheit präsentiert bekam.
Einzelheiten wie die Körper der lebenden Leichen, die sich aus dem Wasser hervorgeschoben hatten.
Sie kamen in einer breiten Welle. Sie gingen nicht nebeneinander her, sondern standen zueinander versetzt. Alle kannten nur ein Ziel, und das war das Ufer.
Die Wellen schlugen gegen die Körper. Sie zerrten an ihnen. Sie wollten sie zu sich zurück in das Wasser holen, aber sie schafften es nicht. Die Kraft der Zombies war einfach zu stark, obwohl diese nicht mit denen der. Menschen vergleichbar war.
Der Wind war nicht stark, aber eisig. Er fuhr gegen die Körper, die sich wie Roboter bewegten und sich auch durch Rückschläge nicht von ihrem Ziel abbringen ließen.
Es waren viele. Zu viele. Irgendwie sahen sie trotz ihrer Gleichheit immer verschieden aus. Trotz des Zustands hatten sie noch eine gewisse Individualität behalten. So sah ich Frauen und Männer, doch Kinder glücklicherweise nicht. Manche waren noch bekleidet, andere nackt wie sie erschaffen worden waren. An den Gestalten hingen die Reste aus der Tiefe des Sees. Tang, Algen und Schlamm klebte oder rann an ihren Gestalten hinab.
Das Licht sorgte bei ihnen für eine besondere Bleichheit. Dazwischen erhielten die Körper einen dunklen Schimmer, wenn sich die leicht violetten Schatten darauf verloren. Bei denjenigen, die schon näher an das Ufer herangekommen waren, sah ich in den Augen das Weiße schimmern.
Ich hatte die anderen in noch verdammt guter Erinnerung, als sie mich als Beute angesehen hatten.
Und ich entdeckte zu diesen hier keinen Unterschied. Sie alle stammten aus der Tiefe des Sees, und sie alle mussten eine geheimnisvolle Herkunft haben, die mir große Rätsel aufgab. Bisher hatte ich das Rätsel ihrer Existenz nicht einmal entfernt lösen können.
Bei den ersten Untoten reichte das Wasser nur noch bis zu den Schienbeinen. Sie spürten keine Kälte, es kümmerte sie auch nicht der Wind, denn alles Menschliche war ihnen fremd, obwohl sie aussahen wie Menschen.
Das Kreuz steckte in der Tasche. Es war der Indikator und ließ mich auch jetzt nicht im Stich. Ich hatte meinen Handschuh ausgezogen, bevor ich mit den Fingern am Metall entlangstrich, das sich erwärmt hatte. Ich holte das Kreuz hervor und drehte mich etwas nach rechts, um auf die Gestalt zuzugehen, die mir am nächsten war. Es kam einfach über mich, ich konnte daran nichts ändern, ich wollte es ausprobieren und zunächst einen von ihnen vernichten.
Nach dem zweiten Schritt stieß ich gegen einen Widerstand, den ich vor mir herschob. Es war kein Stein, sondern eine Hand und ein Stück daran hängender Arm. Bereits beim ersten
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