1154 - Flucht aus dem Grauen Korridor
entmaterialisieren und halbstoffliche Form anzunehmen.
Diese Besonderheit berücksichtigend, schlug Ellert vor: „Nein, nicht mit deiner Methode des materiegebundenen Wechsels. Ich werde mit deinem Bewußtsein auch deinen Körper voll übernehmen und versuchen, ihn durch die mir bestens bekannte fünfte Dimension zu bringen. Wir sind dann zumindest vor jeder Zeitverschiebung sicher."
„Und wenn es nicht gelingt?"
„Dann bist du an der Reihe", bot Ellert an.
Nanude wußte, daß sie nicht viel zu verlieren hatte, denn sie besaß nicht die dir fremden Fähigkeiten der Sternenwanderer, also stimmte sie zu. Praktisch ging sie überhaupt kein Risiko ein.
„Einverstanden", teilte sie mit und verfiel gleichzeitig in absolute geistige und körperliche Passivität.
Nun war es Ellert endlich möglich, sich total zu integrieren.
Praktisch gesehen wurde er nun völlig zu Nanude, ohne jedoch seine eigenen Fähigkeiten zu verlieren oder auch nur abzuschwächen. Er konzentrierte sich auf sein unsichtbares Ziel jenseits des galaktischen Zentrums - und die Sterne wurden zuerst zu vorbeirasenden Lichtpunkten, dann aber durch die unvorstellbare Geschwindigkeit zu Lichtstrichen.
Er war unterwegs.
*
Nanudes zwei Meter großer Medusenkörper wurde völlig transparent, obwohl er halbstofflich erhalten blieb. Er stellte keine Behinderung für Ellert dar, wie dieser insgeheim befürchtet hatte. Ohne Zwischenfall durchraste er das sternendichte Zentrum der Galaxis und verlangsamte den Flug, als er weit vor sich das erwartete rötliche Schimmern aufdämmern sah.
Erst als das danach angepeilte Sonnensystem in direkte Sicht kam, nahm er wieder Kontakt mit der Meduse auf.
„Du kannst dich wieder aktivieren, Nanude. Dort ist deine Heimat, und so unbeschädigt und voller Leben, wie ich es dir prophezeite. Du brauchst mich jetzt nicht mehr."
Es dauerte etliche Sekunden, ehe Nanude antworten konnte: „Der Schlaf meines Bewußtseins ist sehr tief und fest gewesen, aber ich habe unsere unglaubliche Reise durch die Galaxis miterleben können. Vielleicht möchte ich auch ein Sternenwanderer werden. Aber willst du nicht mit mir kommen, Ellert? Lerne meine Welt kennen, so wie sie heute ist. Wir werden dich willkommen heißen und ..."
„Du mußt allein zurückkehren, denn vor mir liegt eine Aufgabe, die keinen Aufschub mehr duldet. Ich habe schon zuviel Zeit verloren."
„Durch meine Schuld - es tut mir leid."
„Keine Selbstvorwürfe, Nanude. Ohne dich hätte ich die erste Zwischenzone vielleicht niemals verlassen können. Ich habe viel dazu gelernt, und vor allen Dingen fand ich einen Freund. Lebe wohl, und vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder. So schnell vergesse ich nicht."
Er löste sich von Nanudes Bewußtsein und verließ den Körper. Dann sah er zu, wie die Meduse langsam der Oberfläche des Planeten entgegensank, deren oberste Schichten der Atmosphäre von einem rötlichen Schimmer durchzogen wurden.
Erst als Nanude in den Ozean eintauchte und schnell versank, konzentrierte sich Ellert erneut auf seine Aufgabe, deren Erfüllung ihm plötzlich so gut wie unmöglich schien.
Er mußte EDEN II finden!
*
Mit einer Geschwindigkeit, die alle Vorstellungen sprengte, verließ er die Milchstraße und ließ sie bereits Sekunden später als spiralig geformten Lichtfleck weit hinter sich zurück.
Vor ihm tauchten andere auf, und er zögerte.
Wo konnte EDEN II sein?
Wie sollte er das jemals erfahren, wenn er nicht jede einzelne Galaxis der Mächtigkeitsballung von ES durchforsten wollte.
Es gab Augenblicke, in denen Ellert sich ernsthaft die Frage stellte, ob in fernster Zukunft nicht einmal alle Menschen so sein könnten wie er - eine intelligente Lebensform, die es verstand, ihr Bewußtsein vom Körper zu trennen, wann immer sie das wollte.
Einige Wissenschaftler hielten eine derartige Entwicklung für durchaus möglich, wenn man ihr Zeit dafür ließ - sehr viel Zeit.
Der Schritt ins Weltall im 20. Jahrhundert hatte durch die Entdeckung besiedlungsfähiger Planeten das Problem der Überbevölkerung auf einfachste Art und Weise gelöst, und plötzlich wurde offensichtlich, warum die Natur es so eingerichtet hatte, daß sich der Mensch - rein theoretisch, wie auch der Fisch - in einer einzigen Sekunde millionenfach vermehren konnte.
Wäre diese schreckerregende theoretische Möglichkeit eine Realität geworden und hätte es nicht die anderen Planeten gegeben, so wäre die Natur gezwungen gewesen, eine
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