1155 - Luzifers große Stunde
fahren. Verfolgt hatte ihn die Gestalt nicht mehr. Zuvor war sie von einer schwarzen Masse verschluckt worden, aber jetzt war sie wieder da.
Oder war es eine andere?
Der Mann am Fenster wollte sich darauf nicht genau festlegen, denn eine sah so aus wie die andere.
Auch sie war ein Wesen, dessen Körper von einem fleckigen Umhang bedeckt wurde, wobei eine Kapuze über den Kopf gestreift worden war.
Ben Adams hatte das Licht im Zimmer ausgeschaltet. Er stand im Dunkeln. Auch der Garten war dunkel. Das nächste Licht schimmerte erst jenseits der Bäume, und das war für Adams unwichtig.
Es hätte sowieso keine Rettung bedeutet.
Er starrte nach vorn. Die Gestalt wäre beinahe an seiner Scheibe vorbeigelaufen, doch sie hatte im letzten Moment gedreht und kam jetzt auf das Fenster zu.
Für Ben Adams war es wie eine Szene aus dem Alptraum. Die Wirklichkeit musste ihm unter den Füßen weggezogen worden sein. Wieso gab es so etwas denn? Seit wann kehrten die Toten zurück?
Er ging einfach davon aus, dass es Tote waren, und vielleicht brachten sie auch die Kälte mit, die ihn umfing.
Sie lag auf seinem Rücken, sie presste sich gegen seine Brust, und sie war wie ein riesiges Gefängnis, das am Hals aufhörte, denn auf seinem Gesicht klebte der Schweiß.
Auch er war mittlerweile kalt geworden. Seine Augen brannten vom langen Starren. Er blieb auf der Stelle stehen, hatte zwar den Wunsch, nach hinten in das Zimmer zu treten, doch ihn umzusetzen, war er nicht in der Lage.
So blieb er stehen. Er konnte auch den Blick nicht von der anderen Gestalt abwenden. Er musste seinem Schicksal direkt ins Gesicht schauen. Der Gedanke an Gegenwehr war ihm zwar gekommen, ihn jedoch in die Tat umzusetzen, war unmöglich.
So stolperte der Unheimliche immer näher an die breite Scheibe des Fensters heran.
Ben Adams und seine Frau hatten vor dem Fenster eine schmale Terrasse in Eigenleistung gebaut.
Nichts Besonderes, doch sie fühlten sich dort wohl. Die Sommer- und Gartenmöbel hatten sie nicht abgeräumt und nur mit einer grauen Plane abgedeckt, auf die die Gestalt zustolperte. Wenn sie nicht vorher stoppte, würde sie darüber fallen.
Sie prallte dagegen. Sie kippte auch nach vorn, aber sie fiel auf die Plane und drückte die nach unten gestreckten Hände genau in eine Lücke zwischen zwei Stühle hinein. So berührte sie den Boden nicht und konnte sich sogar in die Höhe drücken, um auf die Beine zu kommen. Schwankend blieb sie stehen.
Jetzt war er nicht mehr weit vom Fenster entfernt, und Ben Adams sah ihn deutlicher.
Ja, das gab es ein Gesicht unter der Kapuze. Aber verwaschen und leicht zusammengedrückt. Eine düstere Masse, in der das Gesicht wirkte, als wäre es aus Lehm modelliert worden. Ben sah auch einen Mund. Er war nicht geschlossen, stand weit offen, und es hätte Ben nicht gewundert, wären wieder die heulenden und jammernden Laute aus ihm hervorgedrungen. So laut, dass selbst das Glas der Scheibe zerbrach.
Das passierte nicht. Der andere raffte sich auf. Er stolperte noch über die Abdeckung an der Seite, blieb aber auf den Beinen und hatte es nicht mehr weit bis zum Fenster.
Zwei Schritte…
Ben Adams hielt in diesen Momenten den Atem an. Er wartete sogar darauf, dass die Gestalt ihren Körper in die Scheibe hineinwuchten und sie zerstören würde.
Das geschah nicht.
Der Körper prallte gegen das Hindernis, das nicht zusammenbrach. Die Scheibe erzitterte nur unter dem gewaltigen Druck, aber es malten sich keine Sprünge oder Risse ab.
Der Unheimliche ging wieder zurück. Er breitete dabei die Arme aus und schüttelte den Kopf mit der Kapuze, die dabei nicht von seinem Schädel rutschte.
Dann ging er wieder zurück.
Zum ersten Mal atmete Ben Adams auf. Eine winzige Zeit der Entspannung, die wirklich nicht lange anhielt, denn schon nach drei Schrittlängen blieb die Gestalt wieder stehen.
Sie fixierte das Fenster. Sie schüttelte den Kopf. Sie schaute auf ihre Hände, die sie zu Fäusten geballt hatte, als wäre sie dabei, zu überlegen, ob sie die Scheibe einschlagen sollte.
Eine atemlose Spannung hielt Ben Adams umklammert. Die folgenden Sekunden dehnten sich in die Länge. Das war für ihn kaum noch zum Aushalten. Jetzt kehrten die eigenen Schmerzen wieder zurück, und er merkte verdammt stark, dass mit ihm noch längst nicht alles in Ordnung war. Da hatte auch die Dusche und das Einreiben nicht viel gebracht.
Die fremde Gestalt ging zur Seite. Es waren nur zögernde Schritte, und Ben versuchte
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