1159 - Mörderische Nixenwelt
nicht irgendwo hinfallen und elendig verdorren wollte.
Sie schaute noch einmal zurück.
Die wenigen Häuser des Ortes waren mehr zu ahnen als zu sehen. Sie hatten sich hinter Buschwerk und auch den wenigen höheren Bäumen zurückgezogen, als wollten sie sich allem entziehen. Niemand sollte sie sehen können.
Fleckig und grau waren die Beine bis zu den Füßen hin geworden. Es fiel ihr noch schwerer, sich wieder in Bewegung zu setzen. Maja schaute nach vorn. Ihr Gesicht hatte sich unter dem zu leidenden Stress verzogen, die Augen bewegten sich zuckend. Vor ihr lag das flache Gelände. Das heißt, es war nicht ganz eben. Da gab es schon leichte Wellen, die von einem sattgrünen Gras bewachsen waren, dessen Farbe wiederum auf eine gewisse Feuchtigkeit hinwies.
Und der Nebel.
Graue, feuchte Fahnen, die sich kaum von der Stelle bewegten und nur in ihrem Innern lautlos rotierten. Das Ziel lag gar nicht mal so weit entfernt, und doch bedeutete sein Erreichen eine wahnsinnige Anstrengung für sie.
Sie schleppte sich weiter. Es war mehr ein Schleppen als ein Gehen. Ihre Füße glitten durch das Gras, und nach jedem Schritt glaubte sie, mit den Zehen durch Säure zu schleifen, so sehr spürte sie das Brennen. Das Gras schnitt sie an den Füßen, aber Maja machte weiter, auch wenn sie schon taumelte.
Ihre Sinne waren noch intakt. Sie roch das Wasser. Sie nahm die Feuchtigkeit auf. Es war einfach phänomenal, dies wieder zu riechen. Ihr kam es wie ein kleines Wunder vor. Schon jetzt malte sie sich aus, wie es sein würde, im Wasser liegen zu können. Einfach göttlich.
Die Nähe und der Geruch belebten sie wieder ein wenig. Der Energieschuss tat ihr gut. Plötzlich schwankte die Welt nicht mehr vor ihren Augen, Maja sah sie wieder klar, und sie bemerkte auch, dass sich die Beschaffenheit des Bodens verändert hatte. Das Gras war nicht mehr so trocken.
Feuchtigkeit klebte auf den Halmen. Genau das war für sie wie die Vorspeise zu einem perfekten Menü. Der große Rest würde auch noch kommen.
Als einsame Gestalt wankte Maja weiter. Trotz des feuchten Bodens und der Nähe des Baches, den sie riechen konnte, ging sie immer schleppender. Es war einfach zu viel für sie. Das Anheben der Füße glich jedes Mal einer Qual, auch wenn die Sonne sie nicht mehr beschien, weil sie bereits an den Rand der dünnen Nebelschicht geraten war und kühle Finger über ihre Haut strichen.
Maja hörte das Wasser. Es war wie ein Gesang für sie. Er lockte, er jubilierte wie eine Koloratur. Er sprudelte, er sprang, er war so herrlich frisch, so neu, denn er wurde immer wieder neu geboren.
Maja ging noch schwerfälliger. Sie schwankte bei jedem Schritt von einer Seite zur anderen.
Manchmal bewegten sich ihre Füße, als würden sie nicht zu ihr gehören.
Ihre Augen hatten die ungewöhnlichen Farbvariationen verloren. Auch sie sahen jetzt grau und tot aus. Keine Kraft mehr. Keine Energie. Alles war so leer.
Und doch machte sie weiter. Bis sie die eigenen Füße nicht mehr richtig wahrnahm und ins Stolpern geriet. Diesmal war es ihr nicht mehr möglich, sich auf den Beinen zu halten. Sie fiel nach vorn und landete mit einem dumpfen Geräusch bäuchlings auf dem Boden.
Ihre Gliedmaßen zuckten. Maja versuchte alles, um sich zu erheben. Es war ihr nicht mehr möglich.
Wenn sie noch weiterkommen wollte, musste sie kriechen.
Dabei war das rettende Wasser so nah. Nie zuvor hatte sie die »Musik« lauter gehört. Sie floss dahin. Sie sang von einer Wohltat, von frischem Leben im Wasser.
Maja merkte, wie feucht der Boden geworden war. Schon ein Zeichen darauf, dass das richtige Wasser nicht mehr weit entfernt war. Nicht nur mit dem Oberkörper, sondern mit dem Gesicht zuerst hatte sie sich gegen den Boden gedrückt. Sie hielt den Mund dabei offen und schob ihr Gesicht so tief wie möglich durch das feuchte Gras. Jeden Tropfen wollte sie einsaugen. Er war für sie immer wieder ein Teil der verloren gegangenen Kraft.
Sie schleckte das Wasser. Es rann kühl in die Kehle. Es gab Maja immer nur für wenige Sekunden Auftrieb, der allerdings schnell wieder verging, sodass sie jedes Mal zusammensackte und wieder neue Energie schöpfen musste.
Es war der Kampf mit der Tücke des Objekts und der für ihr neue Existenz. So einfach wollte sie nicht vergehen. So leicht sollten es ihre Gegner nicht haben.
Deshalb machte sie weiter.
Schob sich vor.
Zentimeter für Zentimeter. Es war ein verzweifelter Kampf gegen die Zeit, aber sie wollte
Weitere Kostenlose Bücher