116 - Der Mitternachtsteufel
wiederherstellen? Schön sind diese Bestiensäulen wirklich nicht. Es wäre besser, die Ornamente von den restlichen Säulen auch noch abzuschlagen, dann würde die Halle gleich viel schöner aussehen."
„Barbar!" zischte Ira. „Das sind Kunstwerke. Außerdem gehören die Ornamente zum Stil des Castillos."
„Schöner Stil!" brummte ich.
Das entwickelte Bild kam aus der Kamera. Ira Marginter schaute es an, und auch ich warf einen Blick darauf. Wir stutzten beide. Die Polaroidaufnahme zeigte nicht die beschädigten Ornamente. Ein Mann war auf der Säule abgebildet, den wir erst auf den zweiten Blick er kannten. Er hatte einen kahlgeschorenen Kopf, trug nur einen gelben Lendenschurz und saß mit gekreuzten Beinen da, im Lotossitz. Seine Augen waren geschlossen, als konzentrierte er sich oder meditierte. Sein ausgemergeltes Gesicht drückte Verzweiflung aus.
Der Mann war Jeff Parker, der amerikanische Playboy, Millionär und Dämonenbekämpfer, persönlicher Freund des Dämonenkillers Dorian Hunter, Mitglied des Jet-Set. Jeff Parker war eine illustre Persönlichkeit.
Seit Dorian Hunter vor ein paar Monaten angeblich gestorben war - Coco Zamis hatte einen Doppelgänger des Dämonenkillers erstochen-, galt Jeff Parker als verschollen. Kein Mensch wußte, wo er sich aufhielt.
Ich betastete die Säule, konnte aber nichts Außergewöhnliches feststellen.
„Seltsam!" sagte Ira Marginter. „Wenn Jeff nicht da ist, wie kann man ihn dann fotografieren?" „Übernatürliche Einflüsse", murmelte ich und dachte angestrengt nach.
Ich sah mich in der Halle um, lauschte, entdeckte aber nichts. Falls es einen metaphysischen Einfluß gab, so konnte ich ihn mit meinen Sinnen nicht wahrnehmen.
„Fotografiere doch einmal eine andere Säule!" sagte ich zu Ira. „Wollen mal sehen, was dabei herauskommt."
Ira Marginter tat es. Wir warteten gespannt, bis sich das Bild entwickelt hatte. Wieder zeigte es Jeff Parker - in der gleichen Haltung. Sein Gesichtsausdruck wirkte noch schmerzlicher, noch verbissener. Versuchte er uns von irgendwoher ein Zeichen zu geben? Ira Marginter sah mich angstvoll an. „Ob Jeff vielleicht tot ist?" fragte sie. „Ob es seine Ausstrahlung aus dem Jenseits ist, die wir empfangen?"
Sie schwärmte insgeheim für Jeff Parker, der einer der begehrtesten Junggesellen der Welt war; zumindest wenn man den Klatschmagazinen glauben durfte.
„Glaube ich nicht. Ira, wir müssen die anderen herholen. Dieses Problem können wir nicht allein lösen."
Ich hängte mich ans Haustelefon, und Minuten später waren alle versammelt, auch der immer ein wenig ätherisch wirkende Hermaphrodit Philipp und Tirso Aranaz, der Zyklopenjunge. Anfangs hatte ich ihm sehr reserviert gegenübergestanden und ihn für ein kleines Ungeheuer gehalten. Jetzt mochte ich ihn. Er war ein lieber und freundlicher Kerl, und ihm stand keine leichte Zukunft bevor. Im Moment war er noch ein Kind und begriff alles nicht richtig; aber die meisten Menschen würden ihn mit seiner blauen Haut und seinem einen Auge immer als Monster ansehen.
Alle betrachteten die Geisterfotos, die Ira Marginter geschossen hatte. Schließlich kam der pferdegesichtige Burkhard Kramer auf die Idee, daß vielleicht Phillip für die seltsamen Bilder verantwortlich sein könnte.
„V-vielleicht f-fängt er magnetische oder pa-paraenergetische Strömungen auf', sagte Kramer.
Wenn er aufgeregt war, stotterte er manchmal ein wenig. „Ph-phillip will uns auf Jeff Parker hinweisen, in seiner üblichen orakelhaften Art."
Das war nicht von der Hand zu weisen. Phillip war ein seltsames Geschöpf, nicht mit normalen Maßstäben zu messen. Dorian Hunter hatte es mir einmal so erklärt, daß Phillip zwischen den Dimensionen lebte und für ihn die Dinge ganz anders ausschauten als für uns Menschen. In einem Dämon konnte er vielleicht eine schöne, giftige Blume sehen; bei einem gewaltsam Ermordeten faszinierte ihn möglicherweise eine seltsame strahlende Aura, die nur er wahrnahm. Ich fragte mich manchmal, wie er wohl uns sah.
Phillip hatte übernatürliche Fähigkeiten. Schon seine Nähe konnte auch die stärksten Dämonen lähmen oder sogar töten. Aber diese Fähigkeiten waren nicht zu lenken, nicht von Phillip mit seinem orakelhaften Wesen und von anderen schon gar nicht.
Virgil Fenton, der Amerikaner, der noch am besten mit ihm zurechtkam, stellte Phillip Fragen. Der Hermaphrodit lächelte nur, antwortete aber nicht. Druck auf ihn ausüben zu wollen, wäre keinem von
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