1165 - Von Angst gepeitscht
schon seine Zeichen setzen konnte.«
»An welche hast du gedacht, Mallmann?«
Seinem Ärger schuf er durch ein Knurren Luft. »Er nimmt sich das Blut!«, flüsterte Dracula II dann.
»Dagegen habe ich auch nichts einzuwenden. Das tun wir alle. Aber wir handeln nicht so wie er. Wir geben den Keim weiter. Wir sorgen dafür, dass auch andere Menschen in unseren Bann geraten. Wir geben den Keim weiter, damit er weitergegeben wird. Gerade ich halte mich daran. Nicht Leroi. Er tötet sie. Er tötet seine eigenen Artgenossen. Er zerschneidet, zerhackt oder zerstückelt sie. Das ist es, was mich stört.«
»Alle Achtung, Mallmann, du kennst dich aus.«
»Ich weiß vieles. Ich habe meine Augen überall. Ich bin jemand, der beobachtet.«
»Bist du auch mit ihm zusammengetroffen?«, fragte ich.
»Ja.«
»Oh… und du hast ihn nicht getötet?«
»Nein, das habe ich nicht«, flüsterte Dracula II mir ins Ohr. »Ich habe ihn bewusst nicht getötet. Ich wollte mich auch auf keinen Kampf einlassen. Ich habe mir etwas anderes vorgestellt. Du wirst diesen Verräter für mich erledigen.«
»Ach ja?«
»Willst du nicht?« Er lachte wieder. »Das kann ich kaum glauben. Du hast ihn doch gejagt. Ich weiß das. Du bist dicht an ihm dran gewesen, ohne ihn zu sehen. Er stammt aus der galanten Zeit. Er hat überlebt, aber ich will nicht, dass er so weitermacht wie vor hundert und mehr Jahren. Genau das hasse ich. Ich dulde einfach keine Verräter unter den Vampiren. Muss ich dir noch mehr sagen?«
»Eigentlich nicht. Ich habe schon verstanden, Will.«
»Das freut mich.«
»Wo soll ich ihn denn suchen?«
»Gute Frage. Die habe ich von dir schon längst erwartet.« Er senkte seine Stimme, sodass sie mich mehr als Flüstern erreichte. »Zu suchen brauchst du ihn nicht mehr. Ich sage dir einfach, wo du ihn finden kannst, denn ich habe ihn beobachtet, nachdem wir uns getrennt haben. Und er hat es nicht bemerkt.«
»Dann bitte.«
»Er ist in London! Er ist in der Stadt. Er sucht Blut. Er wird es noch in dieser Nacht finden. Und vielleicht gelingt es dir, ihn zu vernichten.«
»Wo muss ich hin?«
Dracula II nannte mir eine Adresse. Ich kannte London recht gut, aber die Straße, die er mir angegeben hatte, war mir unbekannt. Da kam ich einfach nicht weiter.
»Verstanden?«
»Natürlich. Was gibt es dort denn? Einen Friedhof, eine alte Gruft, in die er sein Opfer gezerrt hat?«
»Nein, nichts davon. Nur ein Haus.« Er kicherte. »Aber ein Haus mit Menschen. Er wird sich den einen oder anderen holen. Und er wird das tun, was er immer getan hat, wenn er das Blut trank. Er wird sein Messer nehmen, es zuerst am Hals ansetzen und…«
»Es reicht! Ich habe genügend Phantasie, um mir vorstellen zu können, wie es weitergeht.«
»Dann bin ich zufrieden. Beeil dich, John. Sonst kommst du zu spät. Vielleicht bist du schon zu spät…«
Damit war für ihn alles gesagt, und er unterbrach die Verbindung. Ich hielt noch Sekunden später den Hörer in der Hand und starrte ihn an. Was man mir da untergeschoben hatte, war wirklich ein hartes Stück gewesen. Ich merkte, dass sich auf meinem Rücken eine Gänsehaut bildete, und das hatte bestimmt nichts mit der Temperatur in der Wohnung zu tun. Zugleich standen auf meiner Stirn auch kleine Schweißperlen, denn ich wusste auch, dass die Nacht für mich erst richtig begonnen hatte.
Und ich glaubte nicht, dass Will Mallmann mich angerufen hatte, um mir ein faules Ei ins Nest zu legen. Nein, einer wie er war immer auf seinen Vorteil bedacht.
Er musste Beau Leroi schon hassen, wenn er ihn mir freiwillig überließ. Ungewöhnlich. Es war eben schwer für mich, einen Weg in die Gedankengänge eines Blutsaugers zu finden, der sich zudem noch als König der Vampire ansah und sich seine eigene Welt aufgebaut hatte, in der die Vampire die Bewohner bildeten.
Während ich daran dachte, zog ich mich an und telefonierte zwischendurch auch mit Suko, der nebenan wohnte. Bei ihm machte ich es kürzer. Er brauchte nur den Namen Beau Leroi zu hören, um hellwach zu sein. Er war ebenso scharf darauf, ihn zu jagen wie ich…
***
Gaskin war gnadenlos. Er war ein Sadist. Er war einzig und allein auf seinen Vorteil aus. Er konnte wahnsinnig charmant sein, auf der anderen Seite aber in das glatte Gegenteil hineinfallen, dann gab es für ihn überhaupt kein Pardon. Da mordete er, wenn es ihm in den Kram passte. Jeden Widerstand schaffte er radikal aus dem Weg.
Das wusste auch Pamela Morton. Nur hatte sie es noch
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