1165 - Von Angst gepeitscht
niemals am eigenen Leib erfahren. Man sprach über Gaskin. Kolleginnen hatten andere Erfahrungen gemacht. Sie hüteten sich davor, ihn ein zweites Mal zu betrügen. Das wäre ihnen nicht in den Sinn gekommen. So blieben sie still und taten, was er wollte.
Auch Pamela. Bis zu dem Zeitpunkt, als es ihr finanziell schlecht ging. Sie brauchte Geld, weil sie selbst etwas verliehen hatte. Da war plötzlich die relativ sichere Brücke weg gewesen, und nur deshalb hatte sie das Geld genommen.
Sie hätte es ihm zurückgezahlt. Bestimmt. Aber das nahm er ihr nicht ab. Einer wie Gaskin sah stets nur das Schlechte im Menschen, weil er selbst schlecht war.
Mit diesen Überlegungen beschäftigte sich Pam, während der Zuhälter ihre Beine festhielt. Sie hatte sich innerlich verkrampft und kam sich vor wie gefesselt. Sie saß und lag zugleich im Sessel, die Beine vorgestreckt, was auch nicht freiwillig geschehen war.
Das Fenster stand noch immer offen. Pamelas Sinne waren gespannt. Jedes Geräusch nahm sie überdeutlich wahr. Selbst das leise Schleifen der ins Zimmer wehenden Gardinen entging ihr nicht.
Sie konzentrierte sich voll und ganz auf den Schmerz, der sehr bald durch den rechten oder linken Fuß schneiden würde.
Noch hielt er nur das Messer fest. Gaskin hatte es nicht angesetzt, aber die Spitze war höchstens eine Fingernagelbreite von ihrer Fußsohle entfernt.
Sie sah Rauls Gesicht. Es schimmerte bläulich. Die Lippen zeigten ein kaltes Grinsen. So kannte sie es, wenn er voller negativen Emotionen steckte.
»Man betrügt mich nicht!« flüsterte er noch mal.
Es war der Satz vor dem ersten Schnitt. Das musste einfach sein. Es gab für Pam keine andere Möglichkeit. Aber sie irrte sich. Raul Gaskin führte die Klinge nicht gegen ihren nackten Fuß. Er blieb unbeweglich hocken und hatte den Kopf leicht angehoben und nach rechts gedreht, um an ihr vorbeischauen zu können. Pamela erfasste, dass sie plötzlich nicht mehr so interessant für ihn war.
Auch bewegten sich seine Augenbrauen. Auf der Stirn bildete sich eine Falte. Das Messer blieb in der Stellung, aber die Frage, die er stellte, passte nicht zur Situation.
»Erwartest du Besuch, Pam?«
Die Worte überraschten sie so sehr, dass sie nicht in der Lage war, eine Antwort zu geben.
»Kommt jemand?« flüsterte er scharf.
Jetzt konnte sie plötzlich sprechen. »Nein. Ich wollte in dieser Nacht allein sein. Ich habe mich mit keinem Gast verabredet. Du bist doch derjenige, der mir die Kunden besorgt. Tut mir leid, aber ich weiß von nichts.«
»Soll ich dir das glauben?«
»Ja, es stimmt. Ich…«
»Nicht so laut!« Er stand plötzlich auf. Pamela wollte es kaum glauben. Er blieb stehen und schaute über sie hinweg zur offenen Balkontür hin.
Pam wagte nicht, sich zu bewegen. Und erst recht traute sie sich nicht, den Kopf zu drehen.
Wer so in eine bestimmte Richtung schaute, der musste etwas auf dem kleinen Balkon gesehen haben. Möglicherweise war einem Dieb das offene Fenster aufgefallen. Er hatte es als leichten Eingang in die Wohnung betrachtet, sich aber noch nicht getraut, sie zu betreten und hielt sich deshalb auf dem Balkon auf.
Pam wagte eine Frage: »Was hast du, Raul?«
Er gab ihr keine Antwort. Pam war für ihn plötzlich uninteressant geworden. Sein Blick hatte sich verändert. Er grinste auch nicht mehr. Der gesamte Körper war von Spannung erfasst worden.
»Da ist jemand, Pam! Er steht noch auf dem Balkon. Und er denkt, dass ich ihn nicht gesehen habe. Jetzt traut er sich nicht hinein und will auch nicht mehr über die Brüstung klettern. Wen immer du dir da auch als Freund ausgesucht hast, es gibt keine Chance mehr für ihn und auch nicht für dich.«
Mit einem langen Schritt hatte er den Sessel erreicht und blieb daneben stehen. »Los, komm her! Komm schon, du kleines Arschloch. Wenn ich dich erst holen muss, geht es dir schlecht!«
Auch wenn Pamela Morton den Fremden nicht sah, sie war ihm trotzdem dankbar. Sein Erscheinen war genau im richtigen Moment erfolgt. Er hatte Raul von ihr abgelenkt, aber sie wusste auch, dass sich der Mann in Lebensgefahr befand, denn jemand wie Gaskin kannte keine Gnade.
Sie richtete sich auf und presste den Rücken gegen die hohe Sessellehne. Dann drehte sie den Kopf und versuchte, einen Blick auf die offene Balkontür zu erhaschen. Es war ihr nicht möglich. Dafür hörte sie einen leisen, tappenden Schritt.
Einen Moment später pfiff Raul durch die Zähne. Es war der Augenblick als sich der
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