1165 - Von Angst gepeitscht
auch ihre Augen hin und her. Es war wichtig, dass sie ihre Panik überwand. Deshalb sprach ich sie mit leiser und auch sehr ruhig klingender Stimme an. »Sie brauchen keine Sorgen zu haben, Madam, wir tun Ihnen nichts. Sie sind hier in Sicherheit.«
Als Antwort erlebte ich ein heftiges Kopfschütteln und gestammelte Worte, die ich nun beim besten Willen nicht verstand.
Suko und ich gingen davon aus, dass Schlimmes hinter ihr lag. Sie blickte auch jetzt gehetzt um sich, als wollte sie am liebsten im Boden verschwinden.
Ich versuchte es auf eine andere Art und Weise. »Wir sind weder Vampire noch Killer, sondern von der Polizei. Scotland Yard. Verstehen Sie das, Madam?«
Es vergingen Sekunden, bis sich die Frau entspannt hatte. Das war auch Suko klar geworden, denn er ließ sie los. Die Blonde beugte ihren Oberkörper vor und holte tief Luft. Die Hände hielt sie dabei gegen den Bauch gepresst. Wie jemand, dem es übel war.
»Wirklich von der Polizei?« fragte sie beim Aufrichten.
»Ja. Scotland Yard.«
»Und Sie sind hier?«
»Das sehen Sie ja.«
»Ein Zufall.«
»Nein, keiner, Madam. Wir sind einer gewissen Person auf den Fersen, und ich denke, dass Sie dabei helfen können, sie endlich dingfest zu machen. Sie darf nicht weiter existieren.«
Die Blondhaarige ließ sich Zeit mit der Antwort. Wir brauchten sie nur anzuschauen, um zu wissen, dass sie begriffen hatte, von wem wir sprachen. Sie drehte auch kurz den Kopf und blickte den Weg zurück. Dabei schüttelte sie den Kopf. »Das… das geht nicht.«
»Warum nicht?« fragte Suko.
Sie suchte nach den richtigen Worten. »Ich weiß auch nicht, wie ich es Ihnen sagen soll. Aber er ist einfach zu stark, verstehen Sie? Das ist grauenhaft.«
»Dann kennen Sie ihn?« Suko hakte nach.
Über das Gesicht der Frau rann ein Schauer. Sie strich mit beiden Händen über ihre Wangen hinweg. »Ja - leider. Ich kenne ihn. Er ist so anders und so grausam. Ich kann es nicht einmal beschreiben. Es fehlen mir einfach die Worte.« Sie regte sich wieder auf. »Es ist mir jetzt noch ein Rätsel, dass ich ihm entkommen konnte. Eigentlich hätte ich tot sein müssen. Das ist jetzt ein anderer.«
Ich erkundigte mich nicht nach dem Namen und wollte nur wissen, wo wir ihn finden konnten.
»In meiner Wohnung«, gab sie schaudernd zu.
Genau das hatten wir hören wollen. »Und die liegt in der untersten Etage?«, fragte Suko.
»Ja, stimmt.« Sie redete jetzt schnell und flüsternd. »Ich bin über den Balkon hinweg geflohen. Es war meine einzige Chance. Was ich dort erlebt habe, das kann man keinem erzählen, aber es stimmt.« Die Augen weiteten sich. Sicherlich war es für sie erlösend, wenn sie mit der Wahrheit herausrückte, aber wir durften auf keinen Fall zuviel Zeit verlieren.
Ich nickte ihr zu. »Zeigen Sie uns den Balkon.«
Die Blonde erschrak. Sie raffte die Revers vor ihrer Brust zusammen. Wir hatten längst gesehen, dass sie unter dem Morgenmantel so gut wie nichts anhatte. »Ich gehe nicht mit hinein!«, erklärte sie uns flüsternd. »Ich habe Angst.«
»Wir machen das schon!«, beruhigte Suko sie. »Kommen Sie, Miss…«
»Ich heiße Pamela Morton.«
Wir nannten auch unsere Namen. Ob sie die überhaupt richtig mitbekam, wussten wir nicht. Sie war zu durcheinander.
Suko schob sie vor, weil sie allein kaum gehen konnte. Jeder Schritt war von einem Zittern begleitet. Auch wir waren auf der Hut. Es konnte durchaus sein, dass wir vom Balkon her beobachtet wurden. Es war kein Name gefallen. Trotzdem gingen wir fest davon aus, dass es sich um Beau Leroi handelte, der sich in Pamela Mortons Wohnung zurückgezogen oder verschanzt hatte.
Wir wurden nicht gestört. Es blieb nächtlich still.
Die Balkone sahen alle gleich aus. Sie klebten wie viereckige Waben an der Hauswand.
Vor Pamelas Balkon blieben wir stehen. Er war nicht groß, er war auch nicht hoch. Es würde einfach sein, auf ihn zu klettern. Vor der Hauswand wuchs ein Buschgürtel, der dort eingeknickt war, wo die Frau hineingesprungen war.
Wir verhielten uns still und achteten auf jedes fremde Geräusch in der Umgebung. Zu hören war kaum etwas. Es war die übliche Ruhe der Nacht. Keine fremde Stimme, kein Stöhnen, kein Schreien oder Wimmern.
Pamela Morton schielte hoch zum Balkon, und ich nickte. »Sie bleiben hier, Pamela. Wir schauen uns in der Wohnung um.«
»Gut.«
Auf dem kurzen Stück hatte sie uns berichtet, was überhaupt geschehen war. Wir machten uns auf etwas gefasst, aber wir mussten auch
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