1165 - Von Angst gepeitscht
verlassen. Auf der anderen Seite konnte sie ihn verstehen. Bill wollte nicht in dieser verdammten Unsicherheit leben, unter der auch sie litt. Deshalb hatte er die Tür zum hinteren Garten geöffnet und war nach draußen gegangen. Wenn jemand versuchte, in das Haus einzudringen oder es auch nur unter Beobachtung zu halten, dann war das der günstigste Ort.
Sheila war im Haus zurückgeblieben. Auch sie drehte dort ihre Runde. Sie spähte durch die Fenster.
Der Garten lag ruhig da. Hin und wieder wurde ein Blatt vom sanften Wind in die Höhe bewegt und trieb durch eine Lichtinsel, die es dann in einen großen zuckenden Schatten verwandelte. Mehr passierte da vorn nicht.
Niemand war da. Keinen hatte sie gesehen, aber ihr und Bill war klar, dass die Gefahr in der Nähe lauerte. Beide waren sensibel genug, um dies zu spüren.
Im Haus war es recht warm. Nicht nur deswegen war die Stirn der Frau feucht geworden. Sie dachte immer wieder an Johns Warnung und natürlich an diesen Beau Leroi, den Blut-Galan, von dem ihr Bill erzählt hatte.
Er war ein Vampir der besonderen Art. Überaus menschenverachtend. Brutal und zugleich jemand, der sich an keine Regeln hielt. Er biss zu, er verwandelte normale Menschen in Blutsauger, um sie anschließend zu töten.
Und das auf eine Art und Weise, wie Sheila es nicht hören wollte. Bill hatte ihr nur in Ansätzen davon berichtet, das aber hatte ihr gereicht. Alles wäre nicht so schlimm gewesen, wenn Johnny zu Haus gewesen wäre. Er war keiner, der jede Nacht um die Häuser ging, um sich so die Zeit zu vertreiben, doch er war auch erwachsen. Wenn Johnny mal unterwegs war, mussten seine Eltern immer damit rechnen, dass es spät beziehungsweise früh wurde.
Dabei konnte sie ihm keinen Vorwurf machen, denn Johnny war ein erwachsener Mensch. Auch wenn Sheila es nicht wahrhaben wollte, aber an Johnny ging die Zeit ebenfalls nicht vorbei. Da war er wie alle anderen Menschen auch.
Sie schreckte zusammen, als sie im Haus ein Geräusch hörte. Es war im Wohnzimmer aufgeklungen, und sie atmete auf, als sie die Stimme ihres Mannes hörte. »Ich bin es Sheila.«
»Okay.«
Beide trafen sich kurz vor der Tür zum Wohnzimmer, wo der Reporter stehen blieb. Sheila sah seinem Gesicht an, dass er nichts entdeckt hatte. Trotzdem fragte sie. »Hast du was gesehen?«
»Nein, gar nichts.«
Sheila lachte, obgleich ihr danach nicht zu Mute war. »Könnte es dann sein, dass John sich geirrt hat?«
Bill ging wieder zurück ins Wohnzimmer. Er setzte sich auf eine Sessellehne. »Das weiß ich leider nicht, Sheila. Möglich ist es schon.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich einfach nicht. John macht aus keiner Mücke einen Elefanten. Da steckt mehr dahinter. Außerdem ist die Nacht noch nicht beendet. Die andere Seite hat nur vielleicht zwei Stunden, bevor es hell wird. Und die können verdammt lang werden.«
»Nur nicht für Johnny.«
»Ha.« Bill drückte seinen Kopf zurück. »Ich weiß sehr gut, was du meinst. Aber er ist erwachsen.«
»Trotzdem hätte er schon längst zu Hause sein können.«
»Im Prinzip hast du ja Recht«, sagte Bill mit leiser Stimme. »Aber wenn ich dabei an mich denke, muss ich ehrlich sagen, dass es mir früher auch nicht anders ergangen ist.«
»Klar, Bill. Väter und Söhne halten ja immer zusammen. Da stehen wir Mütter dann daneben.«
»Wenn er vorgehabt hätte, die ganze Nacht über wegzubleiben, dann hätte er Bescheid gegeben. Du kennst ihn. Das hat er bisher immer getan. Es hat ihm eben auf der Fete gefallen.«
»Oder dieser Leroi hat ihn sich geschnappt. Er hasst dich, Bill. Du hast ihn gesehen und…«
»Psssttt!« Bill hatte das Wort scharf und lang gezogen ausgesprochen und dabei einen Finger vor die Lippen gelegt. Gleichzeitig hatte sich in seinen Augen ein warnender Ausdruck gezeigt, und Sheila verstand das Zeichen.
Bill drückte sich von der Sessellehne hoch. Seine Frau hatte damit gerechnet, dass er zum Fenster gehen würde. Da allerdings irrte sie sich. Bill blieb nicht im Wohnzimmer. Er verließ es, um durch den Flur zur Haustür zu gehen.
Dort wartete er und nahm die Haltung eines Lauschenden an. Im Flur gab nur eine Lampe ihren Schein ab. Wer von draußen hineinschauen wollte, der musste sich schon viel Mühe geben, um etwas erkennen zu können.
Sheila hielt es nicht länger im großen Wohnzimmer aus. Auch, weil Bill sich bewegte, ging sie ebenfalls auf leisen Sohlen in Richtung Haustür.
Bill war stehen geblieben und traf keinerlei
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