1166 - Der Erschrecker
mich zu Fuß auf den Weg zu machen…
***
Lance Pritt hatte es nicht mehr ausgehalten und noch am späten Abend bei Cathy Brixon angerufen. Er wusste, dass Cathy nicht mehr die Jüngste war, aber er wollte auch nicht bis zum anderen Tag warten, denn Cathy war die einzige, die Bescheid wusste und eventuell auch eingreifen und helfen konnte.
Sie lebte mit ihren Kindern zusammen in einem Haus, aber sie besaß ein eigenes Telefon mit separater Nummer, sodass er ungestört mit ihr reden konnte.
Lange sprachen die beiden nicht. Lance Pritt brauchte nur einige Stichworte zu geben, um Cathy zu alarmieren.
»Ja, ich komme zu dir«, sagte sie. »Es ist besser, wenn wir uns bei dir treffen.«
»Aber komm nicht ins Haus. Ich will nicht, dass meine Frau etwas merkt.«
»Schon klar. Weiß sie überhaupt Bescheid?«
»Nein. Meine Eltern haben nur mich eingeweiht. Die beiden, du und ich, wir sind die Kenner.«
»Dann bis gleich.«
»Ich warte an der Scheune.«
Cathy Brixon hatte Wort gehalten. Trotz ihrer fast 70 Jahre war sie noch gut in Form. Mit dem Rad war sie wie verwachsen und fuhr manch Jüngerem noch davon.
Lance Pritt hatte das Tor der Scheune aufgezogen. So konnte Cathy direkt in den Bau hineinfahren. Dort stieg sie vom Rad und setzte sich auf eine Kiste.
Lance nahm ihr gegenüber Platz. Er ließ sie erst gar nicht zum Nachdenken kommen und sagte nur: »Er ist wieder da. Die Zeiten haben dem Erschrecker nichts anhaben können.«
Cathy nahm es lockerer. »Wundert dich das? Damals, als ich jung war, hätte man ihn vernichten können. Es gelang nicht. Also existiert er noch.«
Lance Pritt räusperte sich. »Aber heute sind wieder welche gekommen, die ihn vernichten wollen. Ich habe sie zur Station geführt. Zwei Männer, einer davon stammt aus Asien.«
»Kennst du sie?«
»Nein, sie kommen aus London.«
»Wie heißen sie?«
Lance Pritt ließ sich Zeit mit der Antwort. Er wusste nicht so recht, wie er es Cathy Brixon beibringen sollte. Deshalb gab er auch eine etwas umständliche Antwort. »Beide arbeiten für Scotland Yard, verstehst du?«
»Und ob…« Sie dachte an die Begegnung mit dem blondhaarigen Mann, die schon Jahre zurücklag. Cathy hatte sie nie vergessen. Nur Lance Pritt wusste darüber Bescheid, denn seine Eltern hatten ihm von dem damaligen Schrecken berichtet und natürlich auch vom Tod des Hank Taylor. Er hatte später mit Cathy auch darüber gesprochen, und sie hatte alles bestätigt. Sie war nicht angeklagt worden. Man war damals davon ausgegangen, dass ein streunender Wildhund oder sogar ein Wolf den jungen Mann getötet hatte.
Cathy wusste es besser. Nur hatte sie ihr Geheimnis für sich behalten.
»Und jetzt sind wieder welche da?«, fragte sie. Lauernd blickte sie Lance an, der nicht wusste, wie er sich richtig verhalten sollte.
»Ja, zwei…«
»Wer ist der andere? Bitte…«
»Er heißt John Sinclair!«
Endlich war es heraus, aber Lance konnte nicht behaupten, dass er sich erleichtert fühlte.
Er sah nicht zur Seite, sein Blick blieb auf Cathys Gesicht gerichtet, und er stellte fest, wie sich der Ausdruck veränderte.
Nur eine Laterne gab in der Scheune Licht ab. Es strahlte auch gegen das Gesicht der älteren Frau, und dort wechselte die Farbe. Cathy wurde so bleich, dass Lance Pritt Angst um sie bekam. Das sah beinahe nach einem Infarkt aus.
»Bitte, Cathy, was ist? Was…« Er wollte sich erheben und zu ihr gehen, aber sie winkte ab.
»Nein, lass mich. Lass mich bitte in Ruhe. Ich… ich… es kommt alles so plötzlich.«
»Das weiß ich.«
John Sinclair! Immer wieder schoss Cathy dieser Name durch den Kopf. Sie hatte den Mann nie vergessen, nie vergessen können. Er war in ihrem jungen Leben erschienen wie ein Schutzengel. Er hatte sie vor dem Erschrecker gerettet, dieser Gestalt, die schon seit Jahren in der Nähe von Hamlin Angst und Schrecken verbreitete. Wie gern hätte sie ihn noch einmal gesehen, um sich bei ihm zu bedanken, und nun war er wieder da. Aber war er das wirklich? Oder gab es da nur eine zufällige Namensgleichheit? Er wäre jetzt nicht mehr in der Lage gewesen, gegen einen Vampir zu kämpfen. Schließlich war er älter als Cathy. Bestimmt zählte er schon 80 Jahre. Wenn nicht mehr…
Allmählich kehrte sie wieder zurück in die Realität. Zuvor hatte sie den Eindruck gehabt, irgendwo zu schweben, nun aber spürte sie die Kiste unter sich, und sie stand auch mit beiden Füssen auf dem Boden. Aber sie merkte, dass die Augen feucht wurden und das Herz
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