1166 - Der Erschrecker
fliegender Rochen bewegte sich der Vampir über ihn hinweg.
Es wäre ihm sogar möglich gewesen, ihn auf dem Boden zu halten. Wenn Suko das magische Wort »Topar« gerufen hätte. Er hatte es nicht getan, und er gab zu, dass er auch ein Mensch war, der Fehler machte, die ausgebügelt werden mussten, wobei er hoffte, dass dies ohne Opfer und Blutvergießen abging.
Die riesige Mensch-Fledermaus schwebte weg. Sie stieg dabei nicht höher und blieb dicht unter den Wolken, wie für einen Zeugen geschaffen. So konnte Suko erkennen, in welche Richtung sich der Erschrecker wandte.
Was er sah, gefiel ihm nicht. Das fliegende Monstrum hatte sich den Ort Hamlin als Ziel ausgesucht. Das musste auch so sein, denn wo fand es mehr Blut in dieser Gegend als dort?
Für Suko stand fest, dass die Bewohner ahnungslos waren. Der Vampir würde sich austoben können. Genau das wollte der Inspektor verhindern. Er musste sich zwischen dem Monstrum und John Sinclair entscheiden. Die vielen Menschen waren wichtiger.
Auch wenn Suko die Blut-Bestie nicht mehr sah, er wusste, wohin er fahren musste.
Sekunden später saß er wieder im Auto. Er startete, schaltete die Scheinwerfer ein und gab Gas…
***
Cathy hatte wahnsinniges Glück gehabt, aber das sagte ich ihr nicht. Ich hatte nur mein Taschentuch genommen und ihr das Blut so gut wie möglich von der linken Halsseite gewischt. Sie stand noch immer unter dem Schock des Erlebten. Hank Taylor war ihr brutal genommen worden.
Sie schaute zu mir hoch, und ich sah, wie sich ihr Körper dabei verkrampfte. Dann schüttelte sie den Kopf. »Hank wollte mich beißen. Er wollte mein Blut, John. Ich habe seine spitzen Zähne gespürt. Er hätte es getan.«
»Ich weiß, Cathy.«
Sie senkte den Kopf. Hätte ich sie nicht festgehalten, sie wäre an der Wand entlang zu Boden gerutscht. So aber blieb sie zitternd in meinem Griff, weinte und zog die Nase hoch. Ich gab ihr eine gewisse Zeit und sprach sie dann mit einem banal klingenden Satz an, der allerdings genau passte.
»Das Leben geht weiter, Cathy.«
Sie gab ein Geräusch von sich, das wohl ein Lachen sein sollte. »Ich weiß, aber wie? Wie geht es für mich weiter?«
»Sie müssen nach Hause. Dort sind Sie in Sicherheit. Gehen Sie wieder zurück nach Hamlin.«
Das junge Mädchen sah mich an, als hätte ich ihm einen schlimmen Vorschlag gemacht, der zudem noch unanständig gewesen war. »Ich soll zurück nach Hamlin gehen?«
»Das ist am besten.«
»Ja - aber… aber… was machst du dann? Ich will in dieser Nacht nicht allein bleiben, John. Das kann ich nicht. Ich habe Angst. Nein, du musst mit mir kommen.« In ihrer Angst klammerte sie sich an mich, und ich schaute von oben her in ihre Augen, die flehend auf mich gerichtet waren.
Aus ihrer Sicht hatte sie Recht. Und ich wäre auch mit ihr gegangen, aber es war nicht meine Zeitebene. Ich befand mich in der Vergangenheit. Für Cathy Brixon war ich ein Mensch aus der Zukunft. Ihr das allerdings begreiflich zu machen, war so gut wie unmöglich. Das würde sie nie akzeptieren. Nicht weil sie es nicht wollte, sondern weil sie es nicht konnte. Es würde weit über ihren Verstand hinausgehen, was auch erklärlich war.
Ich schüttelte deshalb den Kopf.
»Nein?«, hauchte sie.
»So ist es. Ich bleibe hier.«
»Dann gehe ich auch nicht weg!«
Ich legte die Hände auf ihre Schultern. »Cathy, du musst es tun. Bitte…«
»Aber warum willst du nicht mit? Ich brauche Schutz. Du kannst erst einmal bei mir bleiben.«
»Das verstehe ich. Aber es geht trotzdem nicht. Tut mir leid, Cathy. Vertraue mir.«
»Wie kann ich das denn?«, rief sie. »Wie kann ich dir vertrauen, wenn du mich wegschickst? Du bist der Zeuge gewesen. Du musst den Leuten in Hamlin erklären, was passiert ist. Es kann sein, dass sie dir glauben. Bei mir wird das nicht der Fall sein. Sie werden mich bestimmt für die Mörderin halten. Die Leute sind so, verdammt. Ja, ja, so etwas tun sie gern.«
»Das weiß ich alles, Cathy. Ich weiß auch, dass es verdammt schwer für dich ist. Trotzdem kann ich nicht mitgehen. Ich habe bestimmte Gründe.«
»Du bist ein Feigling, John Sinclair! Ja, du bist ein Feigling. Auch wenn du dieses Monster getötet hast, das mal mein Freund Hank Taylor gewesen ist.«
»In deinen Augen schon. Dennoch kann ich nicht an deiner Seite bleiben.«
Cathy Brixon hatte die eigene Furcht vergessen und war wütend geworden. »Ausreden, nichts als Ausreden! Typisch für euch Männer, wenn ihr in die Pflicht
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