1169 - Satans Kind?
Augenhöhe. Schlösser waren nicht zu sehen, denn sie lagen außen. Hin und wieder schaute jemand vom Wachpersonal hinein. Wegen ihres Zustands bei Julia öfter.
Wie gesagt - alles war normal und trotzdem anders. Es war nicht zu sehen, sondern einfach nur zu spüren. Zumindest für Julia, denn sie glaubte, dass sie nicht mehr lange allein bleiben würde. Was nichts mit Muriel Sanders zu tun hatte.
Es würde jemand anderer kommen…
Darüber dachte sie nach. Der Vater des Kindes? Der Teufel, der nach ihr schauen wollte?
Alles war möglich. Nichts schloss sie aus. Und sie war nicht die Einzige, die eine bestimmte Unruhe verspürte, denn auch das Kind in ihrem Leib bewegte sich häufiger als sonst. Es machte sich durch Strampeln und Drehen bemerkbar wie ein Baby, das den schützenden Bauch der Mutter unbedingt verlassen wollte.
Dazu sagte sie nichts. Es traten auch keine Wehen auf, wie es normal gewesen wäre, wenn die Geburt kurz bevorstand. Aber Julia Coleman ging davon aus, dass sie nicht mehr lange mit dickem Bauch herumlaufen würde.
Aber wo konnte die Geburt stattfinden? Hier in der Zelle? Oder in der Krankenabteilung?
Es war schwer, wenn nicht unmöglich, darauf eine Antwort zu finden. Am liebsten würde sie ihr Kind draußen in der Freiheit austragen, doch das war aus eigener Kraft nicht zu schaffen. Es würde wohl darauf hinauslaufen, dass sie es im Knast gebar.
Und wie würde es aussehen?
Mit diesem Gedanken beschäftigte sie sich permanent. Auf wen würde es rauskommen? Auf die Mutter oder den Vater?
Manchmal hatte sie gelacht, wenn sie an den Vater dachte. Sie kannte ihn gar nicht richtig. Als er gekommen war, da war es einfach zu finster gewesen, und Muriel Sanders hatte in einem fast schon totenähnlichen Schlaf gelegen.
Möglicherweise würde die Szenerie bei der Geburt eine ähnliche sein. Darauf verlassen wollte sich Julia nicht.
Noch lag die Nacht vor ihr. Eine Nacht wie viele andere, und genau das konnte sie nicht glauben.
Die Unruhe in ihr war einfach zu groß gewesen, und das hing nicht nur mit dem Treffen am Morgen zusammen. Da musste schon etwas anderes passiert sein.
Nichts Konkretes, nichts Greifbares. Es lag in der Luft. Es war nur zu spüren. Nur für sie. Es war wie eine Botschaft aus der Zukunft, die besagte, dass die große Stunde der Entscheidung immer näher heranrückte.
Julia lag auf dem Rücken und wartete. Manchmal bewegte sie ihre Lippen, wenn sie mit sich selbst redete. Dann wieder blieb sie stumm und lauschte dem Strom der eigenen Gedanken, die wie ein schmaler Fluss durch ihr Gehirn glitten.
Geräusche störten sie. Sie waren an der Tür aufgeklungen. Sie hörte das Schnappen der Riegel und Schlösser, dann wurde die Tür aufgezogen, und zwei Frauen gerieten in ihr Blickfeld. Es waren Muriel Sanders und die Wärterin, die sie wieder zurückgebracht hatte und sogar noch eine gute Nacht wünschte.
Die Tür wurde wieder abgeschlossen. Noch während dieser Geräusche lehnte sich Muriel mit dem Rücken dagegen. Für eine Weile schloss sie die Augen, um sich der Erinnerung der vergangenen Stunden hinzugeben.
Muriel war genau 30 Jahre alt. Sie hatte mal braunes langes Haar gehabt. Davon war jetzt nicht mehr viel zu sehen. Sie hatte es sich abschneiden lassen, sodass auf dem Kopf nur mehr eine dünne Schicht lag, die wie ein brauner Schimmer wirkte.
Aufgrund des neuen Haarschnitts hatte sich auch ihr Gesicht verändert. Der weiche Zug war verschwunden. Sie wirkte jetzt härter, doch die Form des Kussmunds hatte sich nicht verändern können.
Julia wusste, dass einige der Mitgefangenen versucht hatten, Muriel anzumachen. Und sie hatte sich auch nicht zu stark gewehrt, doch seit ihren Freigängen war sie wieder eine andere geworden oder so wie immer.
»Und? Wie war es?«
Muriel öffnete die Augen. »Stark. Einfach geil.«
»Wieso?«
»Ja, ich habe mir die Kerle genau angesehen. Da kann man schon schwach werden.«
»Du brauchst ja nicht mehr lange zu bleiben.«
»Nicht ganz ein Jahr.«
»Was ist mit der guten Führung?«
»Keine Ahnung.«
»Werden Sie dir die Strafe nicht verkürzen?«
Muriel blies die Luft durch gespitzte Lippen aus. »Das kann ich dir beim besten Willen nicht sagen. Ich habe das Thema auch nicht angesprochen.«
»Solltest du aber.«
»Vielleicht.« Muriel ging zu ihrem Bett und ließ sich darauf nieder. »Draußen ist zwar ein beschissenes Wetter, aber das ist immer noch besser als Sonnenschein im Knast.«
»Genau. Da sagst du
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