1169 - Satans Kind?
Für ihn gab es keine Mauern und Hindernisse. Wo er hinwollte, da kam er auch hin. Kein Mensch war stark genug, um ihn davon abzuhalten.
Wie sieht er aus?
Diese eine Frage quälte Julia. Sie konnte nichts darüber sagen. Sie sah ihn einzig und allein als einen Schatten der Nacht an. Er musste eine Gestalt haben, und trotzdem war er ihr gestaltlos vorgekommen. Es war paradox und zum Lachen, doch sie konnte nicht anders und musste sich damit abfinden.
Über den Teufel hatte sie sich nie viele Gedanken gemacht. Okay, es gab ihn vielleicht, sonst wäre sein Name nicht immer so oft erwähnt worden. Bei Flüchen, bei Wutausbrüchen, da musste irgendetwas schon daran sein, aber direkte Gedanken hatte sich Julia nie darüber gemacht. Für sie waren andere Dinge wichtig gewesen. Sie wollte gut und auf möglichst leichte Art und Weise durchs Leben kommen. Auf alles andere konnte sie dann verzichten.
Muriel schlief noch nicht. »Darf ich rauchen?« fragte sie.
»Wenn du willst.«
»Danke.«
»Du fragst doch sonst nicht.«
»Ich denke nur an deinen Zustand.«
»Aha.« Julia hörte, wie Muriel einen Ascher unter dem Bett hervorzog, dann huschte die Flamme des Feuerzeugs für einen Moment auf wie ein unruhiger Geist, und Muriel versprach, nach dem Rauchen das Licht zu löschen.
»Das ist mir egal.«
»Kannst du nicht schlafen?«
»Nein, im Moment nicht.«
»Komisch, mir ergeht es ebenso.«
Julia hörte, wie Muriel den Rauch ausblies, der dann als schwache Wolke auf ihr Bett zuglitt. Sie machte sich nichts aus Zigaretten. In ihrer Jugend hatte sie es zwei-, dreimal probiert, aber das war auch alles gewesen.
»Ob es wohl am Vollmond liegt, dass wir nicht einschlafen können?«, fragte Muriel.
»Kann sein.«
»Sind wir schon so alt geworden?«
»Wieso alt?«
»Ich habe gehört, dass eigentlich nur ältere Leute nicht einschlafen können, wenn der volle Mond am Himmel steht. Das kann Einbildung sein, aber ich muss ehrlich sagen, dass ich schon meine Probleme habe. Aber zum ersten Mal.«
»Es kann auch an den Stunden liegen, die du erlebt hast. Die karren noch nach.«
»Wahrscheinlich.«
Muriel rauchte die Zigarette so weit wie möglich auf, legte den Filterrest in den Ascher, schob ihn wieder unter das Bett und stand auf, um das Licht auszuschalten. In manchen Zellen wurde das Licht um 22 Uhr gelöscht. Das war bei ihnen nicht der Fall, da hatten sie schon ihre Privilegien.
Auch im Dunkeln fand Muriel den Weg zurück zum Bett. Es war jetzt wirklich finster geworden.
Nur der Umriss des Fensters zeichnete sich als etwas hellerer Fleck ab.
Julia hatte den Kopf gedreht und schaute zu Muriels Bett. Die Frau dort war mehr zu einem Schatten geworden, der sich jetzt setzte und sich dann streckte.
»Ich hoffe, dass es mit dem Schlafen jetzt besser klappt!«, wünschte sie sich.
»Das liegt an dir.«
»Nein, Julia, nicht heute.«
»Wieso nicht?«
Erst lachte Muriel auf, dann schüttelte sie den Kopf. »Du kannst mich auslachen oder nicht, aber ich habe einfach das ungute Gefühl, dass in dieser Nacht noch etwas passiert, von dem wir bisher keine Ahnung haben.«
Da wirst du möglicherweise Recht behalten, dachte Julia, ohne den Gedanken auszusprechen.
»Meinst du nicht auch?«
»Ach nein. Ich denke eher, dass du übernervös bist. Du musst versuchen, dich selbst zu besiegen. Dann klappt es auch mit dem Einschlafen.«
»Aha. Du kannst das?«
»Zumindest strenge ich mich an.«
»Man kann seine Gedanken nicht einfach vertreiben, Julia. Das Unterbewusstsein gehorcht dir nicht und nur sich selbst. Es macht, was es will. Dazu ist der Mensch nicht geschaffen. Das musst du mir schon abnehmen.«
»Soll ich jetzt darüber nachdenken?«
»Nein, nicht in deinem Zustand. Du darfst nichts tun, was dem Kind schaden könnte.« Sie legte eine kurze Pause ein. »Vielleicht ist es besser, wenn ich das Fenster schließe.«
Das verstand Julia nicht. »Warum willst du das denn tun?«, fragte sie verwundert.
Muriel saß schon auf der Bettkante. »Den genauen Grund kann ich dir auch nicht sagen. Mir ist einfach danach, wenn du verstehst. Ich friere nicht, aber ich habe irgendwie Angst davor, dass wir Besuch bekommen könnten.«
»Haha, durch das Gitter.«
»Ist eigentlich Quatsch, wie?«
»Genau.«
Muriel war nicht zu überzeugen. »Trotzdem werde ich es schließen«, erklärte sie und erhob sich.
Julia protestierte nicht. Es hätte keinen Sinn gehabt. Außerdem glaubte sie daran, dass sich ihr Besucher auch nicht von einem
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