1174 - Duell der Kosmokraten
Aber Taurec konnte diese Attacke fast mühelos abwehren. Vishnas Haß war nicht mehr das mörderische Ungeheuer von früher, er war zu einem unscheinbaren Schreckgespenst geschrumpft. Vishna fuhr fort: „Ich bin mir immer treu geblieben. Was ich tat, kam aus mir.
Ich habe meinen eigenen Weg beschritten."
„Glaubtest du", sagte Taurec und hielt an der Linie fest, die ihm der Kosmokratenkodex wies. „Aber du hast einen Teil deines negativen Superintelligenzenegos in den Bereich jenseits der Materiequellen mitgenommen."
Vishna schwieg, sie ließ Taurecs Argumente auf sich einwirken. Damit hatte er schon einen halben Sieg errungen. Denn indem sie über sich nachdachte, ohne einfach alles hinwegzuwischen, was gegen sie sprach, konnte sie auch ihre Fehler erkennen.
„Die Kosmokraten haben mich nie als gleichberechtigt anerkannt", rechtfertigte sich Vishna. „Ich fühlte mich zurückgesetzt und benachteiligt. Es war mir nicht einmal möglich, das Virenimperium für mich nutzbar zu machen, Wissen von ihm zu erhalten. Also gab es für mich keinen anderen Weg, an das Virenimperium heranzukommen, als es in Besitz zu nehmen."
Vishna ließ einen Emotiosturm los, doch Taurec wehrte ihn ab, grenzte ihn ein und erstickte ihn.
„Als ehemaliger Bestandteil der Mächte des Chaos glaubst du, daß es keine Alternative gäbe", hielt Taurec Vishna entgegen. „Du hättest dich aber, ebenso wie ich, mit deinen Neigungen zufrieden geben, deine Sehnsüchte nach materiegebundenem Sein wie ich stillen können."
Er zeigte ihr die Bilder seiner Erinnerung. Als „Einäugiger", mit nur vager Erinnerung an diesen Abschnitt seiner Existenz, war ihm das Erlebte als qualvoll und schrecklich erschienen. Aber nach der Wiedervereinigung mit Chthon und im Vollbesitz seiner Fähigkeiten sah alles ganz anders aus.
Vishna ließ die Bilder atemlos auf sich einwirken. Taurec konnte sie mit seinem Erlebnisbericht tatsächlich bannen - und damit trug er einen weiteren Sieg über sie davon.
„Das ist das, wonach wir uns jenseits der Materiequellen immer gesehnt haben. Stimmst du mir zu, Vishna?" fragte er.
„Ich habe dieses Ziel nie erreicht", sagte sie fast wehmütig. Plötzlich schlug ihre Stimmung aber wieder um. „Und auch dir war dieses Leben nicht vergönnt. Deine Bilder lügen, du beschönigst die Wahrheit nur, präsentierst sie mir im verkehrten Sinn. In Wahrheit..."
„Suchst du nach Wahrheiten, Vishna?" fragte er.
Jetzt war sie verunsichert. Er hatte Zweifel in ihr geweckt. Sie wußte selbst nicht mehr, ob sie an ihre Sache glauben konnte - und das war ein weiterer Teilerfolg für ihn.
„Es gibt keine endgültigen Wahrheiten", sagte sie.
„Aber es gibt individuelle Wahrheiten", erwiderte er. „Jeder muß die Antworten für sich selbst finden. Das gilt besonders für zwei solche Individualisten, wie wir es sind. Wir müssen uns selbst helfen. Du hast es an dir erfahren. Weder das Virenimperium noch die Mächte des Chaos konnten dir Lebenshilfe geben."
„Ich war mir immer treu..." Es klang verloren. Vishna raffte sich noch einmal auf. „Du köderst mich mit schönen Worten. Aber in Wirklichkeit bist du längst genormt. Du unterliegst dem Kosmokratenkodex!"
Vishnas Widerstand flammte wieder auf. Taurec beging nicht den Fehler, ihn gewaltsam zu brechen. Am Beginn des Duells, da hatte er den festen Vorsatz, alles in die Schlacht zu werfen, um Vishna zu zerbrechen. Aber im weiteren Verlauf hatte er erkannt, daß dies gar nicht nötig war. Die negative Komponente ihrer Urexistenz war mit Vishna gar nicht unzertrennlich verbunden, mehr noch, sie löste sich allmählich von ihr. Aber noch bestanden Bande. Taurec hätte sie gewaltsam durchtrennen können, damit aber auch etwas von Vishna getötet, ihr die Möglichkeit zur Rehabilitierung vermutlich endgültig genommen.
Und das wollte er nicht. In ihm war die alte Zuneigung wiedererwacht. Er sah nun weniger die uralte Feindin in ihr als eine potentielle Gefährtin für kommende Tage.
„Ich bin nicht an den Kosmokratenkodex gebunden", sagte Taurec.
Langsam, damit sie jede seiner Bewegungen verfolgen konnte, und offenen Geistes, damit sie keine Hinterlist zu befürchten brauchte, öffnete er die Verschlüsse des Schultergurts.
Und dann legte er den Kosmokratenkodex ab. Er fühlte sich danach selbst freier.
„Steht sonst noch irgend etwas zwischen uns?" fragte er dann und näherte sich ihr.
Sie kam ihm entgegen. Vorsichtig und zögernd zuerst, aber dann immer entschlossener.
Und
Weitere Kostenlose Bücher