118 - Der Unersättliche
gewütet. Die Strohdächer waren zerfetzt. Teile der Wände lagen über den Strand verstreut. Und Keller sah Blutspuren.
„Waren das die Mädchen?" fragte er entsetzt.
Lonrival hörte nicht auf ihn. Er lief unbeirrt weiter und sprang geschickt über alle Hindernisse. Er hatte scheinbar keinen Blick für die Verwüstungen übrig.
„Schneller, Hugh!" rief er. „Wir müssen zur Hütte der Mae Nara, bevor ihr Zeremonienplatz ebenfalls verwüstet wird und ihre Anhänger in alle Winde verstreut werden. Wir müssen uns mit ihnen verbünden. Nur zusammen sind wir stark genug, die schreckliche Gefahr abzuwenden."
Keller war völlig außer Atem. Lonrival entfernte sich immer weiter von ihm. Schließlich tauchte er im Wald unter, und Keller verlor ihn aus den Augen.
Er setzte sich auf den Stamm eines entwurzelten Baumes, um Atem zu schöpfen.
Was für eine Wendung hatten die Dinge genommen! Er hatte geglaubt, daß es nicht mehr schlimmer kommen konnte, als die besessenen Mädchen zu mordenden Furien wurden. Doch die Schrecken hatten noch eine Steigerung erfahren.
Ein Monster war aufgetaucht. Es schien riesengroß zu sein und trampelte alles nieder, was ihm im Wege stand. Es war so stark, daß es Bäume wie Grashalme ausreißen konnte.
Ein Krachen ließ ihn auffahren. Es kam aus der Richtung, in der die Hütte der Mae Nara lag. Dem Krachen folgte ein Geschrei aus unzähligen Kehlen. Schließlich wurde es von einem furchtbaren Gebrüll übertönt.
Lonrivals Befürchtung war begründet gewesen. Das Ding hatte den Zeremonienplatz erreicht und wütete nun unter Mae Naras Anhängern. Das ohrenbetäubende Gebrüll und die entsetzlichen Todesschreie wollten kein Ende nehmen. Und immer wieder krachte und splitterte Holz.
Keller sah einen entwurzelten Baum durch die Luft fliegen. Wie ein Riesenspeer legte er einige hundert Meter zurück, bevor er ins Wasser fiel.
Jemand stürzte aus dem Wald. Es war ein ärmlich gekleideter Indio. Sein Gesicht war vom Wahnsinn gezeichnet. Keller stellte sich ihm in den Weg, doch der Mann schlug wie von Sinnen auf ihn ein.
Wieder krachte es. Der Boden wurde von schweren Schritten erschüttert. Sie kamen näher.
Der Indio riß sich schreiend von Keller los und rannte den Strand hinunter. Er stürzte sich ins Wasser und versuchte, sich schwimmend zu retten.
Keller sah plötzlich einen Schatten hinter den Bäumen auftauchen. Sie teilten sich, und etwas Riesiges bahnte sich einen Weg durch den Wald.
Ein Schädel, so groß wie ein Bungalow, stieß hervor. Darin glühte ein Paar riesiger Augen. Ein Maul tat sich auf. Es zeigte zwei Reihen messerscharfer Zähne, die Keller an Piranhas erinnerten. Ein Bein durchschnitt pfeifend die Luft und setzte im Wasser auf. Meterhohe Wellen entstanden.
Das an die dreißig Meter große Untier bückte sich. Sein Arm streckte sich, und seine klauenbewehrten Hände umfaßten den Indio, der schwimmend sein Heil gesucht hatte.
Das Monstrum holte den Zappelnden aus dem Wasser und führte ihn seinem Maul zu.
Keller meinte zu träumen. Er konnte sich nicht von der Stelle rühren. Er konnte ganz einfach nicht glauben, daß dieses Ding tatsächlich lebte.
Aber dann richtete es seine violetten Augen auf ihn. Und als er den gierigen Blick spürte, da wußte er, daß es Appetit auf ihn bekommen hatte…
Das war kein Traum! Es war entsetzliche Realität. Und Keller wußte, daß es für ihn kein Entkommen gab. Das Monster streckte bereits den Arm nach ihm aus. Seine klauenartige Hand wollte zufassen…
Da erstarrte das Monster zur Bewegungslosigkeit.
„Laufen Sie davon!" rief vom Wald her eine Frauenstimme. „Schnell! Ich kann die Zeit nicht mehr lange aufhalten."
Keller verstand überhaupt nichts mehr, als er die schwarzhaarige Frau erblickte. Aber er fühlte, daß er ihr seine Rettung verdankte. Automatisch setzte er sich in Bewegung.
„Schnell!" drängte sie wieder. Dann ergriff sie seinen Arm und zog ihn mit sich.
Sie waren noch nicht weit gekommen, als hinter ihnen wieder Bewegung in das riesige Monster kam. Es heulte enttäuscht auf, als es feststellte, daß sein Opfer spurlos verschwunden war. Es durchwühlte mit seinen Pranken das Unterholz, entwurzelte dabei ganze Bäume und machte aus den Überresten der Hütten Kleinholz.
Schließlich stürzte es sich mit einem Aufschrei ins Meer und tauchte unter.
„Das ist noch einmal gut gegangen", sagte die schwarzhaarige Frau, die mit Keller inzwischen ihre Gefährten erreicht hatte.
Bei dem einen handelte
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