118 - Der Unersättliche
vielleicht entwickelt er nach und nach magische Fähigkeiten. Und dann wäre er uns in jeder Beziehung überlegen. "
„Vergessen Sie nicht, daß es noch die besessenen Mädchen gibt, die das Monster versorgen", meinte Keller.
„Ich habe sie in meinen Überlegungen berücksichtigt", erwiderte Dorian. „Vielleicht ist Lonrival da Silva in der Lage, den Bann wieder von ihnen zu nehmen, mit der er sie belegt hat. Er ist jedenfalls der einzige, der die magische Formel kennt. Schwierig ist dabei nur, daß er sich jedes Mädchen einzeln vornehmen muß - und daß diese sich wohl kaum freiwillig dieser Prozedur unterziehen werden."
„Wenn Lonrival noch am Leben ist, wird er mit uns zusammenarbeiten", behauptete Keller. „Ich werde mich auf die Suche nach ihm machen "
„Wir begleiten Sie", beschloß Dorian. „Vielleicht gibt das Monster eine Weile Ruhe, so daß uns etwas Zeit bleibt, unsere nächsten Schritte zu überdenken."
„Es wird nicht leicht sein, es zur Strecke zu bringen", sagte Keller. „Ja, wenn wir uns an die Regierung wenden und sie dazu bringen könnten, eine Bombe abzuwerfen… Aber das ist nicht drin. Die Mädchen haben Buzios hermetisch von der Umwelt abgeriegelt."
„Es ist besser, wenn die Welt nichts von diesen Ereignissen erfährt", sagte Dorian. „Denn sonst würde auch die Januswelt Wind von der Sache bekommen."
Keller blickte zu dem Mann mit dem Knochengesicht.
„Ist das ein solcher - Januskopf?"
„Er ist harmlos", sagte Dorian erbittert und wandte sich ab. „Suchen wir den Geistheiler."
Lonrival da Silva hatte den Überfall des Monsters auf den Zeremonienplatz der Mae Nara mit knapper Not überlebt. Ein umgestürzter Baumstamm hatte ihm Schutz geboten.
Obwohl er mit dem Leben davongekommen war, haderte er mit dem Schicksal. Mae Naras Anhänger waren entweder tot - von dem riesigen Untier verschlungen - oder In die Flucht geschlagen worden.
Er war allein. Auf dem Platz sah es aus wie auf einem Schlachtfeld. Das Monster hatte furchtbar gewütet. Es hatte eine lange Schneise in den Wald geschlagen, die hinunter zum Strand führte. Lonrival hörte, daß es sich unter lautem Getöse brüllend entfernte.
Es war ein unersättlicher Menschenfresser. Zum Glück hatte es nicht den Weg nach Buzios eingeschlagen. Ob man dort schon etwas von den Geschehnissen in der entlegenen Bucht gemerkt hatte? Sicher war der Lärm gehört worden. Aber es war unmöglich, daß man in Buzios daraus die richtigen Schlüsse zog. Und selbst wenn die Überlebenden des Massakers die Menschen in Buzios warnten, wer würde schon ernsthaft an die Existenz eines solchen Scheusals glauben?
Auch wenn man die Berichte nicht als Hirngespinst abtat, würde niemand zur Flucht animiert werden. Im Gegenteil, die Sensationslust würde die Menschen zum Strand hinuntertreiben.
Dann waren da noch die Mädchen, die Kether ergeben waren. Sie würden dafür sorgen, daß das Monster neue Nahrung bekam.
Lonrival barg den Kopf in den Händen. Es war alles seine Schuld. Er hätte sich in seinem Machtrausch nicht dazu hinreißen lassen dürfen, der bösen Macht zu dienen. Er wollte sich nicht darauf hinausreden, daß er nicht hatte ahnen können, welche Schrecken er damit heraufbeschwören würde.
Er konnte die Schuld, die auf ihm lastete, nicht abwälzen.
Der Lärm, den das Monster auf seiner Wanderung verursacht hatte, erstarb. Stille kehrte in der Knochen-Bay ein.
Lonrival machte sich auf den Weg zum Strand. Automatisch verfiel er in den Samba-Schritt. Er sang vor sich hin und rasselte mit seiner Adja.
Irgendwann gesellte sich ein Schatten zu ihm. Lonrival beachtete ihn nicht. Er tanzte unbeirrbar weiter. Seine kehlige Stimme jauchzte, und die Adja rasselte den Rhythmus dazu.
Eine Gitarre fiel ein. Lonrival erkannte eine seiner Priesterinnen, die ihm bei seinen Operationen assistiert hatte. Ihr Spiel feuerte ihn noch mehr an, lockte weitere Tänzerinnen an.
Als Lonrival den Strand in der abgelegenen Buch erreichte, die als Kethers Opferstätte ausgewählt worden war, befanden sich bereits zwanzig Mädchen in seinem Schlepptau. Und es wurden ständig mehr.
Sie schienen ihn überall zu hören, auch wenn sie meilenweit entfernt waren. Die magische Verbindung zwischen ihnen bestand also noch. Lonrival spürte Befriedigung. Er durfte nur nicht zu tanzen aufhören, denn dann würden die magischen Bande zerreißen.
Weitermachen! hämmerte sich Lonrival ein, obwohl er zum Umfallen müde war.
Er versuchte, sich selbst in
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