1184 - Der Weg der Flamme
einen Wurm in die Suppe zu schmuggeln."
Cheffunker Elüfar, der neben Si'it an der festlich gedeckten Tafel in der Zentrale der TRÜLIT TYRR saß, schnalzte genießerisch mit seiner breiten, fleischigen Zunge. Begehrlich starrte er den Wurm an. Der Wurm schien seine Begehrlichkeit zu spüren, denn er tauchte unter Si'its Finger weg und preßte sich wie schutzsuchend an seine Handfläche. „Vielleicht wollte Ra-Goofang dir einen Gefallen tun, Si'it", sagte der Cheffunker. Er schnalzte wieder. „Ich meine, es spricht einiges dafür, daß dieser Wurm ein Muurt-Wurm ist."
„Tatsächlich?" Si'it drehte seine Hand und sah den Wurm genauer an. „Ein Muurt? Ich habe noch nie einen Muurt-Wurm gesehen. Bei allen grünen Sandkreaturen, er muß Ra-Goofang eine halbe Milchstraße gekostet haben. Und nur für mich! Ein Muurt-Wurm! Die größte Delikatesse der östlichen Galaxis! Die kulinarische Kostbarkeit, an der sich in jedem Jahrhundert nur eine Handvoll Auserwählte delektieren können ..." Er dämpfte seine Stimme. „Wie ihr wißt, sind die Muurt eine äußerst seltene Spezies. Daß Ra-Goofang einen für mich aufgetrieben hat, läßt unseren Koch fast als Genie erscheinen."
„Aber warum hat er ihn in der Priit-Suppe serviert?" fragte die Psychopflegerin Yütify, die vierte an der Tafel. „Und warum hat er nichts davon gesagt?"
„Weil er mich überraschen wollte", sagte Si'it. Rührung stieg in ihm auf. „Bei der weißen Kreatur der Wahrheit unser Chefkoch ist ein Heiliger! Wir haben uns alle in ihm getäuscht. Wir hielten ihn für trunksüchtig, schlampig, verrückt und nervtötend, und in Wirklichkeit ist er ein Heiliger, der seinen geliebten Kommandanten mit einem Muurt-Wurm beglückt. Mein Leben lang habe ich mir gewünscht, Muurt zu probieren und einen Heiligen an Bord meines Schiffs zu haben, und jetzt sind mir beide Wünsche erfüllt worden! „Freunde" - er gestikulierte mit der freien Hand - „wenn ich nicht den Genuß von berauschenden Getränken wegen des Starts von Zülüt verboten hätte, ich würde jetzt Züyglürii für alle ausgeben.
Da dies nicht möglich ist, habt ihr zumindest das Vergnügen, mir beim Verzehr des Muurt-Wurms zusehen zu dürfen."
Elüfar lachte hohl. „Ich weiß vor Begeisterung weder aus noch ein."
„Zuviel der Ehre", sagte Gülgany. „Wir werden dir diese Gnade nie vergessen", schloß Yütify.
Si'it hob die freie Hand. „Keine Ovationen", bat er bescheiden. „Ihr wißt, daß ich es nicht mag, wenn mir meine Besatzung ihre Liebe zu offen zeigt. Es untergräbt meine Autorität. Ein Kommandant muß gehaßt werden. Also haßt mich, wenn ihr mich liebt."
Der Wurm, stellte Si'it fest, schien auch über eine Chamäleonbegabung zu verfügen. Er war jetzt blau wie der Flaum auf seiner Handfläche. „Das hilft dir auch nichts", zirpte Si'it.
Er schob den Suppenteller zur Seite, griff nach einem leeren Teller und schob den Muurt-Wurm vorsichtig mit dem Messer von seiner Hand. Kaum berührte die Kreatur das schwarze Plastik des Tellers, wurde er ebenfalls schwarz. Si'its Tischgenossen sahen fasziniert zu, wie der Kommandant dann die Gabel nahm und die Zinken mit Genuß senkte. Nur noch wenige Zentimeter trennten die Metallspitzen von dem Wurm. „Tu es nicht", sagte der Wurm.
Si'it gurgelte und warf Messer und Gabel hinter sich. Klirrend landeten sie in der Tiefe der Zentrale.
Wie ein Mann drehten sich die Blues an den Schaltpulten und Kontrollanlagen um und starrten ihren Kommandanten an, der den Start von Zülüt zu einem Festmahl im engsten Kreis nutzte. Selbst die Pax-Aura, die Friedensstrahlung, die die Signalflamme im Pliyirt-System zurückgelassen hatte, konnte nicht verhindern, daß ein Großteil der Zentralebesatzung mit Befremden, Neid und stummem Groll auf Si'its laxe Dienstauffassung reagierte. „Interessant", bemerkte Gülgany. „Ich habe von einem ähnlichen terranischen Brauch gehört. Eine Volksgruppe auf der Erde - man nannte sie Iwans, wenn ich mich nicht irre - pflegte nach jeder Mahlzeit die Gläser an die Wand zu werfen. Später breitete sich diese Sitte über ganz Terra aus. Sie wurde als Whatka bezeichnet, ein Kürzel aus dem angloterranischen What und dem bavarioterranischen Ka, wobei das erste für Was und das zweite für Kein steht und eine Abkürzung für Was, kein Schnaps mehr da ist. Psychologisch betrachtet, dürfte es sich bei dem auch Scherbengericht genannten Brauch um einen Ausdruck der Enttäuschung handeln, Enttäuschung darüber, daß
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