1184 - Die Satanszahl
gekommen ist? Kann man das so sagen?«
»Ja, schon.«
»Und wo steckt sie dann?« Ich hatte so eine Ahnung, aber ich wollte es genau wissen.
Auch Jack Doring hatte uns zugehört. Zwar stand er noch immer unter dem Eindruck der Ereignisse, doch er konnte gut eins und eins zusammenzählen. »Es war jemand hier!«, flüsterte er uns zu.
»Einer mit der verdammten Zahl auf der Stirn. Nicht hier im Raum.« Er drehte sich zur Seite und deutete auf das scheibenlose Fenster. »Dort hat er sich gezeigt. Und von dort hat er auch geschossen. Einfach in den Raum hinein, aber er hat uns nicht getroffen.«
Ich horchte auf. »Uns, haben Sie gesagt?«
»Ja.«
»Wer war noch bei Ihnen?«
»Ein Fremder. Ein Chinese und…«
»Suko«, sagte ich.
»Ja, so hieß er.«
Ich stand plötzlich unter Strom. »Er war hier. Wo ist er jetzt? Er ist uns nicht auf dem Weg nach oben entgegengekommen. Wo wollte er hinlaufen?«
»Das Fenster. Da war doch die Gestalt. Und Ihr Freund hat die Verfolgung aufgenommen.«
»Wie konnte er das?«
»Über die Feuerleiter.«
»Wie lange ist das her?«
Jack zuckte zusammen, weil ich ihn so hart angefahren hatte. »Das… das… kann ich Ihnen nicht sagen. Es ging alles so verdammt schnell. Ich habe mein Zeitgefühl völlig verloren. Das müssen Sie verstehen, Sir…«
»Alles klar. Aber eine Stunde oder eine halbe…«
»Eher eine halbe.«
»Gut. Und Sie haben in der Zwischenzeit nichts mehr von ihm gehört? Keine Nachricht? Keinen Anruf oder…«
»Nein, nichts, rein gar nichts. Ich war allein mit den zwei Zombies…«
»Hat die Gestalt auch einen Namen?« fragte ich Moira.
»Nein, nicht. Er hatte nur die Zahl auf der Stirn. Ich nannte ihn das Tier.«
»Okay, dann werde ich das Tier mal jagen!«
Es war der Weg durch das Fenster, den ich nehmen musste. Ich hoffte, dass ich Suko lebend antraf…
***
Es war für Suko wirklich kein Vergnügen, eine Feuerleiter in die Höhe zu steigen. Besonders dann, wenn es sich um eine alte Konstruktion handelte, die dringend hätte überholt werden müssen. Bei jedem Druck und bei jedem Schritt ächzte etwas in seiner Nähe. Das alte Metall beschwerte sich. Es wackelte auch, aber es wurde noch in der Hauswand gehalten. Einige Male hatte Suko in die Höhe geschaut, um nach dem Untoten Ausschau zu halten. Er war nicht mehr zu sehen gewesen. Irgendwo in der Höhe musste er ein Versteck gefunden haben. Möglicherweise auf dem Dach des Hauses.
Noch ein Absatz lag vor ihm!
Suko legte den Kopf in den Nacken. Er blieb auf der letzten Plattform stehen und schaute in die Höhe, um zu sehen, ob sich dort etwas bewegte.
Das war nicht der Fall. Aber er stellte fest, dass dieses Haus ein Flachdach besaß. Überragt wurde es von den dunklen Stummeln der Schornsteine. Suko dachte sofort daran, welch eine gute Deckung sie geben konnten.
Das Ende der Feuerleiter ragte nicht bis direkt an das Dach heran. Um hinaufzuklettern, musste Suko sich an der Dachrinne oder an der Kante in die Höhe ziehen.
Der Untote hatte die Dachrinne benutzt. Dort, wo er sie angefasst hatte, hing sie nach unten, war aber nicht gebrochen. Es blieb Suko nichts anderes übrig, als den gleichen Weg zu nehmen, und so stieg er die letzten Stufen bis zum Ende der Feuerleiter hoch. Dort war sie mit einem Ring aus Eisen gesichert.
Hier oben war es windiger. Dunstschleier trieben auch hier an Suko vorbei und über das Dach hinweg. Sie sahen aus, als wären sie aus dem Maul eines Drachen geblasen worden.
Zum letzten Mal hörte er das Knarren des Metalls und erlebte mit, dass sich die Stufen unter seinem Gewicht bewegten. Die Dachrinne fasste er an einer anderen Stelle an, zog sich in die Höhe, und es gelang ihm ein erster Blick über das flache Dach mit seinen Schornsteinen.
Früher war aus ihnen der Rauch hervorgedrungen, um in den Himmel zu steigen. Das war jetzt anders. Man heizte nicht mehr mit Kohle, und so wirkten sie wie Denkmale aus einem anderen Zeitalter.
Suko kletterte auf das Dach. Auch hier hatte der Herbst seine Spuren hinterlassen. Die ersten scharfen Winde hatten die Blätter von den Bäumen gerissen und sie bis auf das Dach geweht, wo sie einen bunten Flickenteppich bildeten.
Wo steckte der Unhold?
Suko sah ihn nicht. Sein Gefühl, auf das er sich verlassen musste, redete eine andere Sprache. Er musste hier sein, falls er nicht die Flucht über die anderen Dächer gewagt hatte. Daran konnte Suko nicht so recht glauben.
Keine Bewegung, die ihn hätte misstrauisch werden lassen.
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