1189 - Hexen-Wahrheit
den gespreizten Fingern durch ihre blonden Haare.
»Habe ich Recht, Jane?«
»Tja.« Sie hüstelte und lächelte schmal. »Verborgen bleibt dir wohl nichts.«
»Es kommt darauf an. Ich kenne dich einfach zu gut.«
»Leider.«
»Hör auf damit. Sei froh. Man sollte Probleme auch mal besprechen. Ein Dritter sieht sie immer anders. Eine gewisse Objektivität ist ungemein wichtig.« Sarah deutete auf den zweiten Sessel in der Nähe. »Bitte, Jane, nimm wieder Platz. Lass uns reden. Ich wette, dass es dir danach besser gehen wird.«
»Ja, Sarah, ja. Vielleicht hast du Recht. Es wird am besten sein, wenn ich darüber spreche.«
»Wunderbar.« Die Horror-Oma lachte jetzt und fügte eine Frage hinzu: »Gehe ich Recht in der Annahme, wenn ich meine, dass es sich dabei nicht um Liebeskummer handelt?«
»Das stimmt.«
»Dann können wir das ja abhaken.«
Bevor Jane den Platz einnahm, ging sie in die Küche und kehrte zurück mit einem Glas Rotwein.
Sarah trank ihren Vitamin-Drink, aber die Detektivin verließ sich auf den Roten aus Italien, der so wunderbar weich über die Zunge glitt und im Gaumen schmeichelte, was für den alten Barolo sprach.
Sarah stellte keine Fragen mehr. Sie wollte darauf warten, dass Jane von selbst zu sprechen begann, was etwas dauerte, denn die Detektivin trank erst einige Schlucke, stellte das Glas dann weg und sagte: »Es gibt tatsächlich etwas, das mir Sorgen bereitet, Sarah.«
»Ein Problem?«
»Das weiß ich nicht. Keine Ahnung, ob es ein Problem ist oder erst noch dazu wird. Möglich ist alles.«
»Was ist es denn?«
»Keine Ahnung.«
Beide Frauen blickten sich an. Sarah runzelte die Stirn. Sie suchte in Janes Blick etwas, das nach Lüge aussah, aber sie konnte keine Falschheit erkennen.
»Damit kann ich nur schlecht etwas anfangen, Jane.«
»Das weiß ich doch. Aber ich kenne mich selbst nicht mehr. Es ist eine Unruhe, die mich seit einigen Tagen überfallen hat.«
»Kannst du das genauer erklären?«
»Ja, schon. Es war wie eine Erwartung. Allerdings keine, die Kinder um diese Weihnachtszeit haben, sondern eine negative. Ich weiß, dass etwas auf mich oder uns zukommt, aber ich weiß nicht, was es genau ist. Das ist mein Problem.«
»Eine Bedrohung etwa?«
»Ja, kann schon sein. Die Unruhe ist in mir. Ich fühle mich beobachtet. Etwas ist im Kommen, im Werden, aber ich kann dir nichts Genaues sagen.«
»Hast du keinen Hinweis, Jane?«
»Doch, Sarah, den habe ich erhalten. Heute Abend noch. Eine E-Mail.« Sie lachte. »Auch das Übernatürliche bedient sich der modernen Technik.«
»Wie lautete der Text?«
»Ich bin bald da«, erwiderte Jane mit spröder Stimme.
Sarah Goldwyn sagte nichts. Zunächst nichts. Nach einer Weile schüttelte sie den Kopf. »Das ist in der Tat seltsam. Ich will dich gar nicht erst fragen, ob diese Nachricht auch unterschrieben worden ist. Das glaube ich nämlich nicht. Es hat dir also ein Unbekannter eine Nachricht geschrieben.«
»Oder eine Unbekannte.«
»Klar, auch das ist möglich. Jedenfalls eine Person, die du nicht kennst, die dich aber kennt.«
»Eben.«
Sarah nahm einen Schluck, weil auch Jane trank. »Ich stelle mir vor, dass du dir Gedanken über den Absender gemacht hast. Oder nicht?«
»Und wie.« Jane musste lachen. »Nur ist nichts dabei herausgekommen. ›Ich bin bald da.‹ Das ist alles. Ich glaube, dass es kein Scherz gewesen ist. Es gibt diese Bedrohung, denn ich habe sie schon gespürt. Sie hat mich eingekreist. Sie war bei mir. Sie war in meinen Gedanken, und ich warte praktisch darauf, dass sie endlich ein Gesicht bekommt. Die Nachricht auf dem Monitor und mein Gefühl, das ist mir einfach zu wenig. Ich bin jemand, der gern Fakten hat. Das Leben ändert sich irgendwie, wenn man ständig daran denken muss, dass man von einer fremden Person oder Macht kontrolliert wird. Angenehm ist das beim besten Willen nicht.«
»Kann ich dir nachfühlen.«
Jane trank Wein, drehte dann das Glas und schaute auf die tiefrote Flüssigkeit, auf deren Oberfläche sich einige Lichtreflexe verloren. »Ich habe darüber nachgegrübelt, wer mir diese Botschaft hätte schicken können, aber das ist das Schlagen gegen Mauern. Das können viele gewesen sein. Schließlich ist mein Leben bisher nicht in den normalen Bahnen verlaufen. Jedenfalls ist die Bedrohung nicht verschwunden, das kann ich fest behaupten.«
»Kann es mit deinem letzten Fall zusammenhängen?«, erkundigte sich Sarah.
»Die Sache im Kloster?«
»Ja.«
»Das glaube
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