1193 - Gestern ist heute
auch fragte, woher er die flexiblen Kleidungsstücke beschaffte. Es folgten eine Reihe tragbarer Meßinstrumente und etlicher Kleinkram, von dem ich nicht annahm, daß wir ihn jemals benutzen würden. Dennoch verstauten wir alles sorgfältig; man konnte schließlich nie wissen!
Derart ausgerüstet, begann das Warten von neuem. Russelwussel hatte sich keine konkreten Angaben darüber entlocken lassen, zu welchem Zeitpunkt er unsere Befreiung inszenieren wollte. Es mochte ein paar Stunden dauern - oder einige Tage. Alles hing davon ab, in welchem Umfang auf den Korridoren vor unserem Gefängnis Posbis patrouillierten. Für seine Aktion war der Matten-Willy darauf angewiesen, eine Phase abzupassen, während der das Risiko einer Entdeckung gering blieb.
Wir sprachen nicht viel. Leichte Nervosität machte sich breit, obwohl es eigentlich keinen Grund dafür gab. Wir rechneten nicht ernsthaft damit, daß der Beginn unserer Flucht in absehbarer Frist stattfinden würde; wenn wir es auch insgeheim erhofften, und sei es nur, weil wir der zermürbenden Handlungsunfähigkeit überdrüssig waren.
Als es dann tatsächlich geschah, fuhr mir unwillkürlich der Schrecken in die Glieder, Ich glaubte es kaum und witterte eine Falle. Gerade eine halbe Stunde war seit dem letzten Ausrüstungsschub vergangen, als das Eingangstor sich öffnete.
*
„Raus da! Los doch, ihr Schlafmützen! Bewegt euch!"
Diese respektlose Art des Ansporns überzeugte mich schnell, daß wir es nicht mit einer Falle zu tun hatten. Stalion Dove sprang auf und rannte los. G'irp und ich hetzten hinterdrein. Draußen wartete Russelwussel auf uns. Er hatte gut und gerne zehn Stielaugen ausgefahren, mit denen er den Korridor nach beiden Seiten überwachte.
Hinter uns sank das Schott nach unten zurück. Für den Bruchteil einer Sekunde beschäftigten mich zwei Fragen. Erstens: Wie war es dem Matten-Willy überhaupt gelungen, den Öffnungsmechanismus zu betätigen? Zweitens: Hatte er Einfluß auf die Öffnungszeit gehabt oder, mit anderen Worten, hätte sich das Tor genauso schnell wieder geschlossen, wenn wir nicht wie die Irrwische nach draußen gerast wären? Eine Antwort sollte ich nie erhalten. Ohnehin blieb mir keine Zeit, darüber zu spekulieren. Ich vergaß das Problem.
Russelwussel deutete uns mit einem wippenden Tentakel die Richtung an, die wir einschlagen sollten. Zugleich setzte er sich selbst in Bewegung und eilte uns voraus. Die Geschwindigkeit, die er dabei entwickelte, war beachtlich. Ich hörte die diamantharten Fußkrallen über den Boden schaben. Mehrmals blickte ich mich im Laufen um, aber entgegen meinen Befürchtungen ließ sich weit und breit kein Verfolger sehen.
„Wohin?" rief Stalion Dove. „Wohin führst du uns, Willy?"
„Nach draußen. Ihr müßt euch anschauen, was dort geschieht." Es schien mir eine ebenso merkwürdige wie vieldeutige Antwort. Im Moment jedoch verzichtete ich darauf, weitergehende Fragen zu stellen. Russelwussel schob seine Körpermasse um die Ecke in den rechtwinklig abzweigenden, breiten Hauptkorridor des Gefängniskomplexes. Er bewegte sich so sorglos und unaufmerksam, daß ich unwillkürlich stehenblieb und meine Freunde mit einer Handbewegung aufforderte, es mir gleichzutun.
Vorsichtig näherten wir uns der Abzweigung, indem wir uns an der Wand entlang schoben und in sämtliche Richtungen spähten, die wir einzusehen vermochten. Stalion Dove hielt seine Waffe schußbereit in der Hand. Erst als wir sicher waren, daß auch hier keine Gefahr durch in der Nähe befindliche Posbis drohte, bogen wir in den Quergang ein.
Russelwussel hatte seine Bewegungen unterdessen verlangsamt.
Wir schlossen schnell zu ihm auf. Weiter vorn, wo ich bereits den Hauptausgang vermutete, sah ich einen weiteren Matten-Willy, der offenbar auf uns wartete. In die rechte Korridorwand waren mehrere massive Tore eingelassen - alle verschlossen. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es uns ergehen würde, wenn sich eines davon plötzlich öffnete und eine Horde Posbis entließ: Unsere Flucht wäre auf der Stelle beendet.
„Willst du uns nicht verraten, was hier eigentlich los ist?" sprach ich Russelwussel an. „Warum hindert uns niemand am Entkommen?
Warum lassen sie uns frei herumlaufen?"
Der Matten-Willy blieb stehen und richtete eines seiner Stielaugen auf mich.
„Du wirst es erkennen, sobald wir das Gebäude verlassen haben", entgegnete er. „Die Bewacher sind ausgeflogen."
„Ausgeflogen?" echote Stalion Dove
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