1196 - Die Macht der Druidin
und jetzt konnte ich mir gut vorstellen, dass es sich bei ihnen um diese Männer in Grau handelte, die den umgekehrten Weg gegangen waren.
»Du denkst nach, nicht?«
»Natürlich.«
»Ich schaffe es.«
»Davon bin ich überzeugt.«
»Auch du wirst mich daran nicht hindern können.«
»Nein, warum sollte ich?« Mein Lächeln fiel etwas amüsiert aus. »Ich denke nur, dass wir beide nicht eben auf einer Seite stehen. Du hast die Chance gehabt, mich tot zu sehen, aber du hast sie nicht genutzt. Warum hast du es den vier Männern nicht erlaubt, mich mit vier Kugeln zu töten?«
In ihren dunklen Augen entstand plötzlich ein Schimmer. »Ja, du hast Recht. Eigentlich hätte ich es tun sollen oder müssen. Aber ich war irgendwo dem Schicksal oder wem auch immer dankbar, dass es uns beide zusammengeführt hat. Wie du, so weiß auch ich, dass es sehr schwer ist, nach Aibon zu gelangen. Ich habe den ersten Versuch gestartet und es nicht geschafft. Aber ich will nicht aufgeben, und jetzt weiß ich, dass du mir noch etwas schuldig bist. Du hättest ohne mich tot sein können, John.«
»Das ist richtig.«
»Männer wie du bezahlen ihre Schulden.«
Da enthielt ich mich einer Antwort, was sie so nicht akzeptierte. »Doch, das tun sie.«
»Wenn das deine Meinung ist, dann gut. Was willst du von mir?«
Mona lächelte verhalten. Dann stand sie mit einer gleitenden Bewegung auf. Es störte sie nicht, dass sie keinen Faden am Leib trug und sich mir, einem Fremden, so, präsentierte. Ich sah, dass sie ziemlich ausgeprägte Schultern hatte. Wie eine Frau, die des Öfteren ein Fitness-Center besucht. So wie ich sie ansah, hatte sie durchaus etwas Männliches an sich.
»Ich habe mich gereinigt, John Sinclair. Ich habe mich vom Ballast dieser Welt befreit. Ich habe ihn einfach abgeworfen. Ich besitze nur dieses Messer, um mich wehren zu können.« Sie hielt es mir entgegen, sodass ich es zum ersten Mal genauer sah.
Es war schon ungewöhnlich, denn es besaß nicht nur die eine lange und auch sehr breite Klinge, sondern noch zwei andere, wesentlich kleinere an den Seiten.
»Das Messer ist ein Erbstück, John.«
»Von wem?«
»Von meinen Vorgängerinnen. Es ist mehr als hundert Jahre alt, und ich habe es in Ehren gehalten. Für sie war es damals schon Kult, und das ist es für mich auch geworden.« Sie hob es an und legte es gegen ihre Lippen. Durch diese Liebkosung bewies sie mir, wie sehr sie mit der Waffe verbunden war.
Ich hatte nur etwas erfahren, aber längst nicht genug. Mir war klar, dass wir beide erst am Anfang standen und die Reise erst begann. Mit einer sehr kontrollierten Bewegung ließ Mona die Waffe wieder sinken.
Ich sah ihr an, dass sie mit mir reden wollte, und unterdrückte dabei meine eigene Neugierde. Bis sie mich ansprach, konnte ich auch warten.
Viel Zeit verging nicht. Sie kam wieder auf meine Dankbarkeit zu sprechen und war der Meinung, dass ich sie jetzt einlösen konnte.
»Wie?«
»Indem du mich begleitest, John. Mich, die Druidin. Du sollst mir den Weg nach Aibon zeigen…«
***
Nein, ich konnte beim besten Willen nicht behaupten, großartig überrascht zu sein, denn etwas Ähnliches hatte ich bereits geahnt. Sie war weit gekommen, aber nicht weit genug. Sie hatte den letzten Schritt nicht gehen können, und deshalb war sie eben auf mich gekommen.
Wirklich ein Zufall? Oder hatten da andere Mächtige ihre Hände mit im Spiel gehabt?
»Warum sagst du nichts, John?«
Ich verzog den Mund. »Es kommt ein wenig überraschend für mich.«
»Ja, ich weiß. Aber du bist kein normaler Mensch. Du kennst dich aus, John.«
»Nicht ganz.«
»Doch, ich habe mich informiert. Man kennt dich zudem im Paradies der Druiden. Für mich ist die Reise nach Aibon ein Traum, und den lasse ich mir nicht nehmen. Ich will in eine bestimmte Seite hinein. Die eine Hälfte, von der ich gehört habe, und die als das Paradies der Druiden angesehen wird. Ich hörte, dass du dort Freunde hast.«
»Tatsächlich?«
»Der Rote Ryan. Oder Ribana…« Sie ließ das letzte Wort langsam ausklingen.
»Du kennst dich wirklich aus«, lobte ich sie.
»Ja. Aber den letzten Weg werden wir gemeinsam gehen, und ich glaube nicht, dass du dich weigern wirst, denn ich habe alles vorbereitet. Wenn man dich sieht, wird man auch mir das Tor öffnen, durch das ich schreiten kann, um für alle Zeiten dort zu bleiben. So werde ich meinen Traum verwirklichen.«
Ich war noch immer nicht davon überzeugt. Okay, ich stand in ihrer Schuld, ich
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