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1199 - Der Prinz und der Bucklige

Titel: 1199 - Der Prinz und der Bucklige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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meinst", antwortete Perry grimmig. „Was ist das für ein Theater?"
    Es war inzwischen völlig finster geworden. Das letzte Säuseln des Sturmes war erstorben. Der Luftdruck betrug null, die Temperatur war auf minus 130 Grad gesunken.
    „Die Ilsaren sind erwacht. Ihre Aufgabe ist es, den Loolandre vor unerwünschten Eindringlingen zu schützen. Sie verwandeln das Land ohne Schatten in den Stein der Finsternis."
    Perry spürte einen Anflug von Ärger.
    „Das fällt dir jetzt plötzlich ein", rief er. „Du hättest mich nicht früher davor warnen können?"
    „Das ist richtig", antwortete der Prinz gelassen. „Es fällt mir jetzt erst wieder ein. Ich spüre deinen Ärger, Freund, aber heb ihn dir für später auf. Fürs erste ist es wichtig, daß du dich vom Boden löst und frei im Vakuum schwebst. Dir fehlt jede Orientierung, also unternimm keinen Versuch, dich anders als senkrecht zu bewegen."
    „Und dann?"
    „Ich bin in deiner Nähe. Wir werden sehen, welche Kulisse die Ilsaren sich für uns aussuchen."
    Perry stieg in die Höhe. Nachdem er laut Hodometer einhundert Meter zurückgelegt hatte, hielt er an. Er hatte sich nur selten so einsam gefühlt wie in diesem Augenblick.
    Ringsum war undurchdringliche Schwärze. Das Gravo-System erzeugte ein Gefühl für oben und unten, aber das Empfinden war synthetisch, und er wußte nicht, in welchem Verhältnis es zu den wahren Gegebenheiten der Welt stand, die er nicht sehen konnte.
    Wahre Gegebenheiten - welcher Hohn! Warum war er nicht schon früher darauf gekommen? An Hinweisen hatte es nicht gefehlt. Die Abwesenheit von Tieren und die völlige Windstille hätten ihn auf die richtige Spur bringen müssen. Das Land ohne Schatten war nicht realer als das große Festmahl während des Epikur-Syndroms, als der Endlose Kreuzzug der Suwi, als die Gardh-Brüder.
    Das Land ohne Schatten war die Abbildung einer verschobenen Wirklichkeit gewesen, und nicht anders würde es sich mit der Finsternis verhalten, die ihn jetzt umgab. Er sprach die Mikrocomputer an und gab ihnen den Auftrag, die nähere und fernere Umgebung zu untersuchen und ihm ein paar Daten zu liefern. Aber als die Computerbatterie sich wieder meldete, da hatte sie absolut nichts zu berichten. Das also war der Ort, an dem er gelandet war: das totale Nichts.
    Die Ilsaren, überlegte er, waren gleichzeitig die Wächter und die Schalter. Wenn ein unerwünschter Besucher das Land ohne Schatten betrat, dann wiegten sie ihn zumindest in Sicherheit und hielten sich im Innern ihrer Felsklötze versteckt. Sobald der richtige Zeitpunkt gekommen war, schlugen sie zu. Sie kamen aus ihren Felsen hervor und bewirkten den Austausch einer Pararealität gegen die andere. Hätten sie ihn im Schlaf überrascht, wäre er an explosiver Dekompression gestorben. Diesem Schicksal war er im letzten Augenblick entgangen. Dafür steckte er jetzt im absoluten Nichts. Daß er noch am Leben war, schien ihm ein nur geringer Trost.
    Er rief nach dem Armadaprinzen, aber Nachor meldete sich nicht. Das mochte bedeuten, daß es ihn in eine andere Parawirklichkeit verschlagen hatte; Perry wußte es nicht.
    Den ersten Lichtpunkt, der über ihm auftauchte, hielt er für eine Vorspiegelung seiner überreizten Nerven. Aber dann kam ein zweiter hinzu, ein dritter - immer mehr wurden es, bis sich schließlich das sternenbesäte Firmament des Alls über ihm wölbte. Er hatte sich von der ersten Überraschung noch nicht erholt, da drang ein Abglanz matter Helligkeit von der Seite her durch die Sichtscheibe. Er beugte sich nach vorne und blickte in die Tiefe.
    Er sah eine zerklüftete Felsenfläche. Das Licht, das sie zurückwarf, kam von einem der nahen Sterne. Es war so trüb, daß es Perry schwerfiel, sich zu orientieren. Die Beleuchtungsverhältnisse waren etwa von derselben Güte wie auf den Uranus-Monden.
    Nur eines wurde ihm deutlich: Der Horizont lag ungewöhnlich nahe. Der felsige Himmelskörper, auf den hinabzusinken er sich jetzt anschickte, besaß den Umfang eines kleineren Asteroiden - ein paar Dutzend Kilometer Durchmesser, mehr nicht.
    Er landete auf einer Geröllhalde, die steil zur Tiefe hin abfiel. Ringsum stachen spitze, scharfkantige Felsnadeln in die Schwärze des Alls empor. Den Stein der Finsternis hatte Nachor diese Ausgeburt der verschobenen Realität genannt. Eine treffendere Bezeichnung gab es kaum.
    Er spürte einen scharfen Ruck, und im nächsten Augenblick war ihm zumute, als würde ihm der Magen in die Kehle hinauf gedrückt.

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