12 - Die Nadel der Götter
wenn er den Anschein erweckte zu gehen, berührten seine Füße nicht mehr den Boden. Er hatte es geschafft. Die letzten Reste von Materie waren vergangen. Endlich!
Natürlich besaß er nicht mehr viel Kraft. Er musste mit ihr haushalten, durfte sie nicht sinnlos vergeuden.
Doch als er die Indios mit ihren angsterfüllten Gesichtern sah, konnte er nicht an sich halten. Da peitschte die Wut erneut in ihm hoch und übernahm die Kontrolle.
»Es ist so weit«, sagte er. »Zeit für mich, zu gehen.«
Er löste sich auf und stand im nächsten Augenblick nur Zentimeter vor seinen einst treu ergebenen Dienern. Bevor sie auch nur reagieren konnten, zuckten seine Hände vor und drangen ohne Widerstand in ihre Köpfe ein.
Er jagte den Männern einen kräftigen Energiestoß ins Gehirn, der jegliches Leben auf der Stelle erlöschen ließ. Es kümmerte ihn nicht, zwei Leichen zu hinterlassen. Sollten sich die Wärter doch fragen, was sich abgespielt hatte.
Dann konzentrierte er sich auf die Weltuntergangsmaschine. Öffnete sich für ihren Ruf.
Und ging zu ihr.
Die Zelle um ihn verblasste, verlor an Substanz … und gewann sie plötzlich wieder zurück.
Nein! Das durfte nicht sein! Er besaß nicht mehr genug Kraft.
Er versuchte es noch einmal. Diesmal gelang es. Von einem Augenblick auf den anderen änderte sich die Umgebung. Er fand sich vor einer sturmumtosten Halle wieder.
Da! Dort stand er.
Tom Ericson.
Der Mann in Weiß lächelte ihn kalt an. Nicht wie früher eine Maskerade, sondern ein Ausdruck tatsächlich empfundener Gefühle.
Neben Ericson standen dessen Gefährten und glotzten ihn entgeistert an. Der Mann in Weiß ignorierte sie. Auch sie stellten lästige Gegner dar, aber Ericson war etwas Besonderes. Das spürte er ganz deutlich.
Nun, das würde das Gehirn des Archäologen nicht vor seinem todbringenden Zugriff schützen.
Er löste sich auf und materialisierte direkt vor dem verhassten Feind.
»Tom!«, schrie die Frau an seiner Seite. »Vorsicht!«
Der Mann in Weiß streckte die Hand nach Ericsons Stirn aus – und erzitterte. Er fühlte, wie er flackerte. Sah, wie die Welt sich auflöste.
Nein! Die Kraft musste reichen. Sie musste.
Kehr zu mir zurück, hörte er die Stimme seines Herrn. Ich muss dich aufladen.
Aber nicht ausgerechnet jetzt, wo er seinem Feind direkt gegenüberstand.
Doch er konnte es nicht verhindern.
Tom Ericson verblasste.
***
Frank Reuter blickte aus dem Fenster seiner Hotelsuite im sechsunddreißigsten Stockwerk des Burj Khalifa und sah … nichts. Nun gut, er sah gelbe Sandschwaden, aber das war nicht wesentlich besser als nichts .
So hatte er sich den Traumurlaub, den er in einem Preisausschreiben gewonnen hatte, ganz gewiss nicht vorgestellt. Eine Woche in einem Luxushotel für eine Person .
Kein Zweifel, die Suite im Armani-Hotel war allererste Sahne. Unter normalen Umständen hätte er den Urlaub in vollen Zügen genossen – und das, ohne den Burj Khalifa ein einziges Mal verlassen zu müssen. Alleine der Fitness- und Wellnessbereich umfasste vier Etagen! Und das At.Mosphere im hundertzweiundzwanzigsten Stock war ein richtiger Feinschmeckertempel. Trotzdem sehnte er sich nach Hause zu seiner Frau.
Schuld daran waren der verfluchte Komet – und die Ansprache dieses Professors aus dem Fernsehen, der plötzlich davon geredet hatte, dass die Welt nun doch untergehen würde. Nachdem »Christopher-Floyd« wieder selbstständig Kursänderungen durchführte.
Reuter zündete sich eine Selbstgedrehte an, doch als er sie nach zwei Zügen auf dem Aschenbecher ablegen wollte, stellte er fest, dass dort schon eine lag und vor sich hin kokelte. Er drückte die Zigarette aus und überlegte, wie er die nächsten Stunden verbringen sollte, bis er zuhause anrief. Ein bisschen Thaiboxen im Fitnessbereich? Nein, keine gute Idee. Vor lauter Langeweile hatte er nach zehn Jahren Pause vorgestern wieder damit angefangen, aber sein Rücken tat ihm heute noch weh.
Besser, er ging ins At.Mosphere . Dort oben steckte man wenigstens nicht mitten im Sandsturm, sondern konnte auf ihn hinabblicken.
Er schnappte sich den MP3-Player. AC/DC, Hells Bells. Der Soundtrack zu seiner standesamtlichen Trauung.
Ein Seufzen entrang sich seiner Kehle. Wie gerne wäre er jetzt bei Bettina. Den Rest dieses Tages noch, die Nacht und den nächsten Vormittag. Dann ging sein Rückflug.
Nun, diese paar Stunden würde er auch noch überstehen …
***
Der Sand prasselte gegen die Karosserie des Taxis. Es
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