12 - Die Nadel der Götter
zurückbleiben, wenn du sie darum bittest? Nein, vermutlich nicht.
»Da ist er!«, erklang McDevonshires Stimme.
Tom löste sich von seinen Gedanken und sah aus dem Hubschrauber. Das Bild, das sich ihm bot, entbehrte nicht einer gewissen Skurrilität.
Dubai lag verborgen unter einer gewaltigen Sandwolke. Nur der Burj Khalifa ragte daraus hervor, mit seinem Y-förmigen Grundriss und den zum Zentrum hin immer höher gebauten Segmenten. Und als wäre dieser Anblick nicht schon gespenstisch genug, türmte sich die gelbe Wolke zum Burj hin auf, als kröche sie seiner Spitze entgegen.
»Hier kann nicht landen!«, rief der Pilot.
Tom fluchte in sich hinein. »Wo dann?«
»Palm Jumeira.« Der Mann deutete auf die Küstenlinie. Dort brach die Sandwolke abrupt ab, als behindere eine Glasscheibe ihr Vorankommen. Stattdessen sah Tom das aufgepeitschte Meer – und darin zwei künstlich angelegte Inseln in Form von Palmen. Der Pilot zeigte auf die vordere.
»Hübsch«, ließ sich Spencer McDevonshire vernehmen.
Tatsächlich bot die Insel einen imposanten, beinahe schon künstlerischen Anblick. Der Stamm, die Palmwedel, alles umgeben von einem sichelförmigen Landstreifen.
Tom ließ sich von der Magie der Ansicht gefangen nehmen. Nach einigen Sekunden verschoben sich für ihn sogar die Perspektiven. Plötzlich wirkte es so, als sehe man nicht von oben darauf herab, sondern betrachte einen aufrecht stehenden Baum, der aus der Sandwolke wuchs und in den Himmel aus Meer ragte.
»Dort Landeplatz!«, rief der Pilot nach einigen Minuten. »Bei Hotel!«
Jetzt sah es auch Tom. Auf der Sichelinsel. Neben einem wuchtigen Gebäude und einem Parkplatz prangte ein dunkelblaues Quadrat auf dem Boden, in dessen Zentrum ein H zum Landen einlud.
Der Pilot lenkte den Hubschrauber dorthin und ließ ihn langsam sinken. Erst als die Kufen aufsetzten, bemerkte Tom, dass er sekundenlang die Luft angehalten hatte.
Sie bedankten sich bei ihrem Piloten und legten ihm ans Herz, erst nach Bandar Abbas zurückzukehren, wenn der Sturm nachließ.
Was hoffentlich passiert, sobald ich diese verdammte Maschine zerstört habe.
Tom bezahlte ihm mit McDevonshires Geld noch eine dicke Prämie, dann sprangen sie aus dem Helikopter. Sofort schlug ihnen ein warmer, sanddurchsetzter Wind entgegen.
Mit eingezogenen Köpfen rannten sie zu einer Halle, um vorläufig Schutz zu finden. Die Beschäftigten dort sahen sie neugierig an, sagten aber nichts. Schließlich wandten sie sich wieder um und schraubten an einem riesigen Motor herum.
Mit großen Augen schaute Tom Richtung Festland, wo sich die Sandwolke wie eine Wand auftürmte. Was für ein unglaublicher Anblick.
Er deutete über den Parkplatz zum Hotel. »Dort finden sich bestimmt Taxis. Vielleicht ist jemand bereit, uns in dieses Inferno zu fahren.«
»O Gott!«, stöhnte Maria Luisa auf.
Was denn? , wollte Tom fragen, doch da sah er es schon selbst.
»Nicht gut!«, entfuhr es auch Spencer McDevonshire.
Neben dem Hallentor stand …
***
Der Mann in Weiß ging in seiner Zelle auf und ab.
Er spürte die Weltuntergangsmaschine wieder, doch das besänftigte ihn nicht in seinem Zorn. Denn noch immer begriff er nicht, wie Ericson sie aus seiner Wahrnehmung hatte lösen können.
Vor noch gar nicht langer Zeit hatte er von sich behauptet, er wolle nicht den gleichen Fehler wie Pauahtun begehen und Tom Ericson unterschätzen. Aber offenbar hatte er genau das getan.
Der Mann in Weiß hatte geglaubt, er könne die Maschine sich selbst überlassen, jetzt, wo sie genügend Energie aufgenommen hatte. Aber diese Ansicht hatte sich als falsch erwiesen. Er durfte das wertvolle Stück nicht in den Händen eines Mannes lassen, dem es zumindest für eine kurze Zeit gelungen war, es von dieser Welt zu entrücken. Wer wusste schon, was er noch zu vollbringen vermochte?
Ericson musste endlich sterben!
Und das würde er. Denn der Mann in Weiß spürte, dass ihn dieses Gefängnis nicht mehr lange halten konnte.
Er sah die verbliebenen Indios an. Seit Voltans Tod hatten sie kaum ein Wort gesprochen. Nur als die Wärter die Leiche aus der Zelle schafften, hatten sie um Verlegung gefleht.
»Er hat ihn umgebracht!«, wimmerten sie. »Und er wird auch uns töten.«
Doch da Voltan keine Zeichen von Gewalteinwirkung zeigte, glaubte ihnen niemand. Also blieben sie bei ihrem Herrn. Nur seiner Gnade ausgesetzt, die sie aber endgültig verspielt hatten.
Der Mann in Weiß blieb stehen, denn ihm war etwas aufgefallen. Auch
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