12 - Im Auge des Tigers
die männliche und die weibliche Kundschaft auf derselben Etage ein. Auch viele Kinder liefen hier herum. Auf dem Plan waren vier Geschäfte für Kinderbedarf ausgewiesen, darunter sogar ein Disney Store! Damit hatte Mustafa nicht gerechnet. Ein Anschlag auf eine von Amerikas größten Ikonen – in der Tat eine verlockende Aussicht.
Rafi trat neben ihn. »Nun?«
»Das Ziel könnte größer sein, aber die Anlage ist für unsere Zwecke nahezu perfekt. Alles auf einer Ebene«, erwiderte Mustafa sachlich.
»Allah ist huldvoll wie immer, mein Freund«, erwiderte Rafi, wobei er seinen Enthusiasmus nicht verbergen konnte.
Die Kunden strömten in Scharen durch die Mall. Viele junge Frauen schoben ihre Kleinen in Sportwagen vor sich her. Mustafa bemerkte neben dem Friseursalon einen Stand, wo man diese Gefährte mieten konnte.
Alles in allem hätten sie es theoretisch zwar noch besser antreffen können, aber sie hatten bewusst keine belebte Großstadtstraße als Ziel ausgewählt. Im Übrigen hätten dort Polizisten mit Schusswaffen ihre Mission gefährdet.
Wie immer im Leben galt es also, das Süße gegen das Bittere abzuwägen, und hier gab es reichlich, das ihnen allen die Sache versüßen würde. Alle vier Männer holten sich bei Auntie Anne’s Laugenbrezeln und gingen am JCPen-ney vorbei wieder hinaus zu ihrem Auto. Die Detailpla-nung würden sie im Motelzimmer bei Donuts und Kaffee besprechen.
Offiziell leitete Jerry Rounds die strategische Planung auf der weißen Seite des Campus. Diese Aufgabe erfüllte er 325
ziemlich gut – er hätte durchaus der Wolf der Wall Street werden können, wenn er sich nicht nach seinem Studium an der University of Pennsylvania entschlossen hätte, Offizier beim Nachrichtendienst der Air Force zu werden. Noch ehe er es bis zum Colonel brachte, finanzierte das Militär ihm sogar das Masterstudium an der Wharton School of Business. Unerwartet gelangte er so zu einer Masterurkun-de, die er sich an die Wand hängen konnte – und zu einer hervorragenden Ausrede dafür, ins Brokergeschäft einzusteigen. Eine willkommene Abwechslung für den ehemaligen Chefanalytiker der US Air Force im Hauptquartier der Defence Intelligence Agency in der Air Force Base Bolling in Washington. Mit der Zeit war Jerry nämlich zu der Erkenntnis gelangt, dass diese Truppengattung vollständig von denen beherrscht wurde, die Löcher in den Himmel bohrten. Er als unspektakulärer Schreibtischhengst – der nie die silbernen Schwingen eines US-Air-Force-Piloten an der Uniform getragen hatte – wurde hier unweigerlich als Bürger zweiter Klasse behandelt. Sein Wechsel zum Campus hatte seinen Horizont auf vielerlei Weise erweitert.
»Was gibt’s, Jerry?«, fragte Hendley.
»Die Leute in Meade und drüben am anderen Flussufer haben da was Aufregendes«, antwortete Rounds und reichte Hendley ein paar Papiere.
Der ehemalige Senator überflog die Ausdrucke der Funk-
übertragungen etwa eine Minute lang, dann gab er die Blätter zurück. Ihm war auf Anhieb klar, dass er das meiste davon bereits wusste. »Und?«
»Diesmal könnten sie richtig liegen, Boss. Ich habe mir die Hintergründe mal ein wenig angesehen. Tatsache ist: Wir haben es mit einem gleichzeitigen Rückgang des Nachrichtenverkehrs von verschiedenen bekannten Akteuren zu tun, und jetzt taucht plötzlich das hier auf. Ich habe bei der DIA mein halbes Leben lang Koinzidenzen beobachtet. Das hier ist so eine.«
»Okay, und was werden sie unternehmen?«
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»Die Kontrollen an den Flughäfen werden von heute an etwas verschärft. Das FBI postiert seine Leute an einigen Abfluggates.«
»Bringt das Fernsehen was?«
»Tja, die Jungs und Mädels von der Homeland Security haben in Sachen Werbung inzwischen wohl etwas dazugelernt. So was ist kontraproduktiv. Man fängt eine Ratte nicht mit Geschrei. Man lockt sie mit etwas an, worauf sie scharf ist, und bricht ihr dann das verdammte Genick.«
Oder man setzt eine Katze auf sie an, die unvermutet zuschlägt, ergänzte Hendley im Stillen. Das war allerdings die schwierigere Mission.
»Irgendeine Idee, was wir tun könnten?«, fragte er Rounds.
»Gegenwärtig nicht. Es ist, als ob man eine Unwetterfront aufziehen sieht. Man weiß, dass mit heftigem Regen und Hagel zu rechnen ist, aber es gibt keine praktikablen Ge-genmaßnahmen.«
»Jerry, wie umfangreich sind unsere Informationen über die Planer- diejenigen, die die Befehle erteilen?«
Ȇber manche wissen wir recht gut Bescheid, aber das sind
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