Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
Menschen geben, die es nicht unter Kontrolle hielten, sondern es ihrem Willen unterjochten und zum Werkzeug ihres persönlichen Machtstrebens machten. Das waren die so genannten bösen Jungs. Die Versager unter ihnen nannte man Soziopathen. Die Erfolgreichen nannte man… Präsidenten.
    Und wohin führte ihn das alles?, fragte sich Jack. Er war schließlich noch ein Kind, auch wenn er das nicht wahrha-ben wollte und vor dem Gesetz als erwachsener Mann galt.
    Hörte man als Erwachsener auf sich zu entwickeln? Hörte man auf, sich und anderen Fragen zu stellen? Suchte man irgendwann nicht mehr nach Informationen – oder, wie er es für sich nannte, nach der Wahrheit ?
    Nur – wenn man sie gefunden hatte, die Wahrheit, was zum Teufel fing man dann damit an? Darüber war er sich noch nicht im Klaren. Vielleicht war dies eins der vielen Dinge, die er noch zu lernen hatte. Mit Sicherheit besaß er denselben Drang zu lernen wie sein Vater – warum sonst hätte er dieses Fernsehprogramm eingeschaltet und nicht irgendeinen geistlosen Klamauk? Vielleicht würde er sich ein Buch über Stalin und Hitler kaufen. Die Historiker forschten ständig in alten Aufzeichnungen herum. Das 332

    Problem war nur, dass sie dem, was sie dabei fanden, ihre eigenen, persönlichen Vorstellungen überstülpten. Er brauchte vermutlich wirklich einen Seelenklempner, um solche Fragen zu klären. Auch die hatten ihre ideologischen Vorurteile, aber wenigstens haftete ihren Denkprozessen eine Patina des Professionalismus an. Es ärgerte den Junior, dass er jeden Abend mit ungelösten Problemen im Kopf und ohne abschließende Erkenntnisse schlafen gehen musste. Aber darum, so sagte er sich, ging es wohl hauptsächlich in diesem Etwas, das man Leben nannte.
    Sie alle beteten. Jeder für sich im Stillen. Abdullah murmelte die Worte aus seinem Koran vor sich hin. Mustafa ging innerlich dasselbe Buch durch – natürlich nicht in Gänze, sondern nur die Teile davon, die ihm Kraft für die bevorstehende Mission am kommenden Tag gaben. Mutig und tapfer sein, sich auf die heilige Mission besinnen, sie gnadenlos erfüllen. Gnade war Allah vorbehalten.
    Was, wenn wir überleben?, fragte er sich, und der Gedanke überraschte ihn.
    Natürlich hatten sie sich auch für diesen Fall einen Plan zurechtgelegt. Sie wollten dann zurück nach Westen fahren und versuchen, den Rückweg nach Mexiko zu finden, von wo aus sie dann per Flugzeug heimkehren würden – um von ihren übrigen Kameraden mit großem Jubel empfangen zu werden. Er rechnete nicht ernsthaft damit, dass es dazu kam, aber Hoffnung war etwas, das kein Mensch jemals völlig ablegte, und so sehr auch das Paradies lockte – das Leben auf der Erde war doch das einzige, das er kannte.
    Bei dieser Überlegung stutzte er erneut. Zweifelte er etwa an seinem Glauben? Nein. Nein, auf keinen Fall. Es war nur eine zufällige Überlegung gewesen. Ich bezeuge, es gibt keinen Gott außer Gott, und Mohammed ist sein Prophet, stimmte er im Geiste die Shahada an, die Grundfeste des Islam. Nein, er konnte seinen Glauben jetzt nicht verleugnen. Sein Glaube hatte ihn um die halbe Welt bis an diesen Ort geführt, 333

    wo er zum Märtyrer werden würde. Sein Glaube hatte ihn sein ganzes Leben hindurch genährt und geleitet, von seiner Kindheit an, durch den Zorn seines Vaters hindurch bis in die Heimat der Ungläubigen, die auf den Islam spuckten und die Israelis hätschelten, und hier würde er seinen Glauben besiegeln. Wahrscheinlich mit seinem Tod. Mit größter Sicherheit, sofern nicht Allah selbst es anders wollte. Denn alle Dinge im Leben standen von Allahs eigener Hand geschrieben…
    Der Wecker ging um kurz vor sechs. Brian klopfte an die Zimmertür seines Bruders.
    »Wach auf, G-Man. Wir vergeuden Tageslicht.«
    »Tatsächlich?«, fragte Dominic vom anderen Ende des Flurs. »Heute bin ich Erster!« Was noch nie vorgekommen war.
    »Dann bringen wir’s hinter uns, Enzo«, erwiderte Brian, und sie gingen gemeinsam nach draußen. Eineinviertel Stunden später saßen sie schon wieder fertig umgezogen am Frühstückstisch.
    »Prächtiger Tag«, bemerkte Brian und machte sich über seinen ersten Kaffee her.
    »Die müssen im Marine Corps wirklich Gehirnwäsche mit euch betreiben, Brüderchen«, versetzte Dominic und nahm ebenfalls einen Schluck aus seiner Tasse.
    »Nein, das machen alles die Endorphine. Mit denen verarscht sich der menschliche Körper selbst.«
    »Das wächst sich aus«, kommentierte Alexander. »Bereit

Weitere Kostenlose Bücher